Alles soll fließen

■ Schlanke Lesesysteme: Verjüngte Spielzeiten an der Schaubühne

Es ist ja noch ein Weilchen hin. Noch bis in die Adventszeit füllen die Cleverschen und Brethschen Inszenierungen die Abende an der Schaubühne – wehmutsvoll. Brennend interessieren muss man sich jedoch seit Monaten für den anstehenden „Paradigmenwechsel“ im deutschen Gegenwartstheater. Den oder wenigstens dessen Scheitern erwartet nämlich alle Welt vom großen Schaubühnen-Relaunch.

Auf einer Pressekonferenz präsentierte gestern das neue Leitungsteam sich und den gierig erwarteten Spielplan 2000: sechs Uraufführungen, vier deutschsprachige Erstaufführungen, zwei „gewöhnliche“ Premieren – für eine nur sechsmonatige Saison klingt das nach hammerhartem Programm, Stress und Zeitdruck. Sasha Waltz, Thomas Ostermeier, Jens Hillje und Jochen Sandig plauderten trotzdem in entspannt-begeisterter Gemütsruhe über Workshops und vernetzte „Unterrichtsstrukturen“, über internationale Kontakte und das „dramaturgische Lesesystem“. Klar, soll ja auch alles fließen.

Das komplett erneuerte, stark verjüngte Ensemble, die um Theaterautoren wie Marius von Mayenburg und Roland Schimmelpfennig ergänzte Dramaturgie sowie ein junges Regieteam haben sich laut Ostermeier gemeinschaftlich für eine Fortführung des thematischen Barackenkurses entschieden – natürlich im größeren, räumlich erweiterten Stil.

Zeitgenössisches, das in „epischer Breite unsere Gesellschaft beschreibt“, hat also erwartungsgemäß Priorität. Zur Eröffnung Ende Januar folgen rasch aufeinander: Sasha Waltz' Choreografie „Körper“ (Arbeitstitel) und „Personenkreis 3.1“ (Regie: Ostermeier), ein Stück des schwedischen Autors Lars Norén, der allerdings „weder jung noch neu“ ist.

Ostermeier fährt fort mit „Gier“, Sarah Kanes letztem Theatertext, und zwei Koproduktionen: „Gestank“ von Hausautor Mayenburg und „Der Name“ (Jon Fosse). Als dezidiert politische Theaterprojekte lassen sich kühn vorab die Inszenierungen von Kühnel/Schuster („Das Kontingent“ – ein UNO-Stück) und Falk Richter („Nato“) klassifizieren. Nur Barbara Frey geht mit Jarry und Horváth auch in die klassische Avantgarde.

Die beiden Tanzprojekte von Waltz und ihrem Ensemble-Tänzer Luc Dunberry nehmen sich neben so viel Schauspiel etwas dürftig aus. „Ich möchte aber ganz emphatisch sagen: Wir sind ein Team“, betonte die Choreografin, als gälte es, bösen Gerüchten vorzubeugen, und: „Uns verbindet eine Vision von darstellender Kunst.“ One Team – one Vision. Perfekt. Eva Behrendt