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„Länder müssen sich versichern“

■ Inge Kaul, Direktorin des UN-Entwicklungsbüros in New York, über die Schuldenkrise und wie die Staaten einen Bankrott abwenden sollten

taz: Frau Kaul, w elche rechtlichen Möglichkeiten sollte es für bankrotte Staaten geben?

Inge Kaul: Am wichtigsten ist Prävention. Die Länder dürfen sich erst gar nicht bis zur Zahlungsunfähigkeit verschulden. Die Kreditquote eines Landes sollte sich an seiner Zahlungsfähigkeit orientieren. Außerdem sollten solche Länder die Möglichkeit haben, eine Versicherung abzuschließen. Häufig werden Länder ja von Finanzkrisen berührt, die sie nicht selbst verursacht haben. Wenn sich ein Land entschließt, über diese Quote hinaus Geld aufzunehmen, würde diese Versicherung außer Kraft treten. Dann könnte die internationale Gemeinschaft wesentlich entschiedener sagen: „Das ist euer Fehler.“

Sie meinen also, dass die Schuld für die Schuldenkrise gar nicht bei den verschuldeten Ländern liegt?

Den im Augenblick hoch verschuldeten Ländern wurden während der 70er-Jahre vermehrt Kredite angeboten. Dahinter steckte folgender Gedanke: Wenn man den Entwicklungsländern Geld gibt, können diese die Exporte der Industrieländer aufnehmen. So wollte man der Rezession in den Industriestaaten entgegenwirken. Damit haben die Entwicklungsländer eigentlich den Industrieländern einen Dienst erwiesen und nicht umgekehrt. Deshalb ist es seltsam, überhaupt von Schuldenerlass zu sprechen. Eigentlich müßte man noch eine Entschuldigung anfügen.

Sollte es ein internationales Insolvenzrecht geben?

Ob man ein Land insgesamt für bankrott erklären kann, sollte man sich stark überlegen.

Weshalb?

Was ist denn die Konkursmasse? Ein ganzer Staat ist ja etwas anderes als ein Investmentfonds. Außerdem: Da müsste man gut überlegen, wie sich das auf die längerfristigen Entwicklungsmöglichkeiten auswirkt. Es ist ja nicht nur Geld, was zählt, sondern auch Identität und Selbstvertrauen.

Und das betroffene Land wäre bis auf weiteres kreditunwürdig?

Ja, und das könnte von der Bevölkerung negativ aufgenommen werden. Durch solche Verfahren stiftet man womöglich Unruhen.

Wenn Staaten Konkurs anmelden könnten, wer sollte dann Schiedsrichter sein? Der IWF, wie es gelegentlich vorgeschlagen wird ?

Es müsste eine neutrale Instanz geben. Wenn der IWF selbst Kredite vergibt, kann er später nicht auch noch Schiedsrichter sein.

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