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Die Einheit der Bischöfe ist dahin

■  Karl Lehmann hat den Ausstieg aus der Konfliktberatung verkündet. Mehrere Bischöfe wollen sich eine Entscheidung offen halten. Aber einen Streit mit Rom will keiner riskieren

Das Wichtigste nuschelte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz beiläufig in den nicht vorhandenen Bart. „Die Beratung wird in vollem Umfang weitergeführt – das schließt auch die Konfliktberatung ein“, erklärte er, und die Journalisten hielten die Luft an: Hatte Karl Lehmann gerade den Aufstand gegen Rom verkündet? Doch dann murmelt der Vorsitzende: „Selbstverständlich ohne Schein.“

Es ist der Ausstieg. Es klingt nur kaum so, deshalb fragen die Journalisten ein ums andere Mal nach. Und Karl Lehmann windet sich: Ja, der Papst hat ein „Präskriptionsprimat“, die Bischöfe schulden ihm Gehorsam. „Aber in welcher Spielart von Weisungsbefugnis spricht da der Papst?“ Ist es ein Wunsch oder ein Befehl? Und was passiert, wenn man ihn nicht befolgt? Das ist unklar – aber nur theoretisch. Denn auch wenn eine „Anzahl“ noch einmal prüfen will, ob es wirklich keinen Spielraum gibt, langfristig wird wohl kein Bischof wegen der Konfliktberatung einen ernsthaften Streit mit Rom riskieren. Mehrere Bischöfe wollen bei ihrem turnusgemäßen Besuch beim Papst Anfang November noch einmal ihre Bedenken vortragen und sich eine Entscheidung weiterhin offen halten.

„Jetzt hängt alles vom einzelnen Bischof ab“, sagte Lehmann gestern. Im Klartext: Einzelne Bischöfe können ab jetzt jederzeit verfügen, dass in ihren Beratungsstellen kein Schein mehr ausgestellt wird. Ohne Übergangsregelung wird das jedoch kein Bischof tun, denn die Verträge mit den Länderministerien können nicht von heute auf morgen gekündigt werden.

Die Einheit der Bischofskonferenz ist damit also dahin. Was man in dem Schein „mit Zusatz“ noch zusammenzuschließen versuchte, fällt nun in zwei Gruppen auseinander. Der einen will nicht in den Kopf, dass sie ein System verlassen sollen, mit dem sie nachweislich ungeborenenes Leben retten: Rund 5.000 Frauen entscheiden sich jährlich nach einer katholischen Beratung doch für ihr Kind. „Wir dürfen dem ungeborenen Leben die Eintrittskarte in die Menschheitsfamilie nicht verwehren“, so drückt es Karl Lehmann mit unglücklichem Gesicht aus – eine merkwürdige Formulierung, die suggeriert, er meine mit Eintrittskarte den Abtreibungsschein. Die anderen wollen sich nicht an einem System beteiligen, das Abtreibung akzeptiert.

Lehmann stellte noch einmal klar, dass sowohl der Vorschlag für den Schein „mit Zusatz“ als auch die Zurücknahme diese Vorschlags von Rom ausgingen. Der erste Brief sei „als überholt zu betrachten“, zitiert Lehmann eine Klarstellung des päpstlichen Nuntius. Der Vatikan hatte wohl damit gerechnet, dass der Schein „mit Zusatz“ staatlicherseits nicht anerkannt würde.

Seine bisherige Zurückhaltung bei der Beurteilung des klerikalen Sommertheaters gab Lehmann gestern auf: Die Unklarheit der päpstlichen Anweisungen seien ebenso mit schuld an dem jetzigen Durcheinander wie der „Generalangriff“ Bischof Dybas und die „Medienkampagne“ von „Schreibtischtätern“ gegen den mühsam erarbeiteten Kompromiss.

Die katholischen Laien ließen sich von den letzten Ungewissheiten innerhalb der Amtskirche nicht mehr beirren: Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken gründete gestern offiziell den Verein Donum Vitae (Geschenk des Lebens), der eine unabhängige katholische Konfliktberatung fortführen soll.

Prominente Katholiken wie Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Thüringen, Erwin Teufel (CDU) und Bernhard Vogel (CDU) und die bayerische Sozialministerin Barbara Stamm (CSU) unterstützen die Initiative. Die Vereinsvorsitzende Rita Waschbüsch erläuterte, man wolle mit Spendengeldern den Kapitalstock für eine Stiftung aufbauen, die die langfristige Arbeit der Beratungen sicherstelle. Das allerdings dürfte geraume Zeit in Anspruch nehmen. Auf den Beratungsscheinen der unabhängigen Katholiken soll dann wieder das Zeugnis der Überzeugung stehen, die der katholischen Kirche das Leben so schwer macht: „Die Aushändigung dieses Nachweises bedeutet keinerlei Akzeptanz eines Schwangerschaftsabbruches.“

Heide Oestreich

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