Das vertraut Fremde

Immergleiche Bilder, immergleiche Logik: William Boyds „Anti-Kriegsfilm“ „The Trench“  ■ Von Jan Distelmeyer

Wer es bis dahin noch immer nicht kapiert hatte, für den oder die hatten Steven Spielbergs Saving Private Ryan und Terence Malicks The Thin Red Line kürzlich noch einmal Anschauungsmaterial geliefert. Ja, der Krieg ist schlecht, und, nein, niemand führt ihn gerne. Damit zusammenhängend war in dieser kleinen Renaissance des Kriegsfilms die Fortführung einer Mythologie dieses traditionsreichen Genres zu entdecken, die mit dem Euphemismus „prisoner of war“ betitelt werden könnte.

Omnipräsent und unsichtbar zugleich wurde hier die „Bestie Krieg“ mahnend zum grauenhaften Protagonisten. Ihre vielgelobte „Realitätsnähe“ und „Eindringlichkeit“ schöpften diese Filme dabei nicht zuletzt aus ihrer aufwendig stilisierten Konfrontation des „so sollte es sein“ mit dem „so ist es“. Mit an historische Wochenschau-Aufnahmen erinnernder Bildqualität zeigt Saving Private Ryan ein Meer, das sich vom Blut der Gefallenen rot färbt, und The Thin Red Line inszeniert „Natur“ als lebens- und liebenswerten Gegensatz zur Zivilisationskrankheit Krieg: „What is this war in the heart of nature?!“

Der zum Kämpfen verdammte Soldat, der „Wahnsinn des Krieges“, von dessen politischen Hintergründen wir kaum etwas erfahren, der Ausnahmezustand in jedem Einzelnen und die Sehnsucht nach dem Anderen, das zumeist Frauen, Familie und Natur repräsentieren dürfen – all das gibt es jetzt auch in der Version Erster Weltkrieg in der englischen Produktion The Trench zu sehen. Den Hintergrund des Regiedebüts des britischen Romanautors William Boyd liefert die sogenannte Somme-Schlacht von 1916, in der insgesamt 104 französische und britische Divisionen in Frankreich gegen die deutschen Invasoren kämpften.

The Trench fasst die 48 Stunden vor der Schlacht in einem britischen Schützengraben zusammen. Wie in einem Kammerspiel begrenzen die Wände des titelgebenden Grabens die Spielfläche, in der sich unerfahrene junge Männer mit einem kampferprobten Sergeant (Daniel Craig) und einem überforderten Lieutenant (Julian Rhind-Tutt) auf das Kämpfen/Sterben vorbereiten. Die Soldaten wie Billy MacFarlane (Paul Nicholls) und Colin Daventry (James D'Arcy) sind erstaunlich jung, alle so um die zwanzig Jahre alt, und ihre Gespräche drehen sich wohl dementsprechend vor allem um Frauen, Heimweh und Zukunft. Aktfotos werden als Attraktion herumgereicht beziehungsweise gestohlen, Briefe gelesen, Träume ausgetauscht, die Erwartungen an die kommende Schlacht besprochen. Ein eher warmer, fast schon heimeliger Braunton liegt über diesen Bildern, unterstützt durch die Uniformen und den Wall aus Erde. Regelmäßig erhellen Leuchtraketen in grün und gelb die Szenerie, und aus der Ferne bilden Schüsse und Granaten den fortwährenden Geräuschteppich, gegen den sich die Graben-Dialoge absetzen.

Kriegsgefangene: Es scheint tatsächlich die Krux jener Combat-Filme wie Saving Private Ryan, The Thin Red Line und jetzt The Trench zu sein, in ihrem sichtlichen Wunsch, das „Grauen des Krieges“ zu vermitteln, die immergleichen Bilder und deren immergleiche Logik zu wiederholen. Auch in The Trench saugt sich die Kamera – wie in Saving Private Ryan – für Sekunden an einer zerfetzten Oberkörperhälfte fest, wogegen – wie in The Thin Red Line – der kurze Blick über den Grabenrand hinaus sattes grünes Gras zeigt, das sich friedlich im Winde wiegt. Die Fokussierung auf die Wünsche, Ängste und Schrecken der Soldaten mündet auch in The Trench in der Variation der Landser- und Frontschwein-Geschichten, die den „einfachen Mann“ der „Bestie Krieg“ gegenüberstellen.

Dieser Krieg – zumindest der im Kino – hat seine eigenen Gesetze, die zum Beispiel vorsehen, dass ein etwas längeres Verharren der Kamera auf dem jeweilig Kämpfenden höchstwahrscheinlich dessen Tod bedeutet. Dieser Regel folgend fallen dann auch die am Ende von The Trench ausrückenden Rekruten. Nur in seiner Mythologie, innerhalb derer die romantisierende Landser-Erzählung sich lediglich graduell vom „Anti-Kriegsfilm“ unterscheidet, ist Krieg als die allgemeinverständliche Größe fass- und vermittelbar, um die es Filmen wie The Trench geht. Indem wir ihn aber darüber immer schon als „den Krieg“ erkennen können, sind wir in gewisser Weise bestens vor ihm wie vor anderen Monstren wie Godzilla oder King Kong geschützt. Wir erkennen ihn als das vertraut Fremde, mit dem wir – außer der Faszination des Schauens – nichts zu tun haben.

„The Trench“, heute, 20 Uhr, CinemaxX 8, 1. Oktober, 17.30 Uhr, Abaton, großes Kino