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„Das ist ja nicht mein Geld“

Keine Ahnung, nicht nachgedacht, lieber doppelt gemoppelt: 60 Milliarden Steuermark werden jährlich verschwendet, moniert der Steuerzahlerbund und fordert neue Gesetze  ■   AusBerlin Beate Willms

Er ist ein echtes Schmuckstück, der japanische Nationalfisch Nishikigoi, kurz Koi, ein bis zu 120 Zentimeter langer Zierkarpfen: Ein Exemplar kostet bis zu 300.000 Mark und mehr. Immerhin 5.000 Mark investierte die Landesregierung Baden-Württemberg für ihre Landesgartenschau in Plochingen pro Fisch. Und sie kaufte zwölf. Macht 60.000 Mark. Wen wundert's, dass zwei Diebe auf die Idee kamen, die Kois heimlich aus dem Teich zu fischen und zu verkaufen? „Man hätte die 60.000 Mark gleich in Scheinen rund um das Becken auslegen können“, sagte Karl Heinz Däke, Präsident des Bundes der Steuerzahler. So verschwende man Steuergelder.

Der Plochinger Fischskandal ist nur ein Beispiel in einer Liste von 128 Fällen, die der Bund der Steuerzahler in seinem 28. Schwarzbuch aufführt, das Däke gestern in Berlin vorstellte. Und auch die sollte lediglich „einen beispielhaften Überblick“ darüber bieten, wie öffentliche Gelder zum Fenster hinausgeworfen werden: Allein die Beispiele summieren sich auf eine Schadenshöhe von rund 1,2 Milliarden Mark. Insgesamt, so schätzte Däke unter Verweis auf einen Bericht des Europäischen Rechnungshofes, sind mehr als fünf Prozent der öffentlichen Ausgaben „mit Unregelmäßigkeiten behaftet“ – das wäre ein Verschwendungsvolumen von rund 60 Milliarden Mark jährlich. Damit, so Däke, könnten die Lohn- und Einkommenssteuer um 15 Prozent oder die Mehrwertsteuer von 16 auf 12,5 Prozent gesenkt werden. „In den Behörden heißt es oft: Das ist ja nicht mein Geld.“

Besonders anfällig für Schildbürgerstreiche und Behördenwillkür sind offenbar das Bauwesen und die Verkehrsplanung: So sollte in Hamburg beim Neubau des Stadtparks Rothenburgsort eine zusätzliche Verbindung zwischen Stadtteil und Park geschaffen werden. Diskutiert wurden ein Landweg, für den das Hafenbecken teilweise zugeschüttet werden musste, und ein Fußgängersteg. Statt sich für eine der Alternativen zu entscheiden, wurden beide realisiert. Die Hafenverfüllung kostete rund 2 Millionen Mark, der Steg 1,6 Millionen Mark – mindestens die hätte man sparen können.

Auch beim Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin wurde oft schneller gehandelt als gedacht. Die Kita für die Kinder der Bundestagsbediensteten fiel nicht nur mit über 10 Millionen Mark ausgesprochen teuer aus, sie wies darüber hinaus auch noch gravierende Mängel auf, die für noch mehr Geld nachträglich abgestellt werden mussten. Und: Vor dem Bau wurde nicht einmal überprüft, ob die Kapazitäten der vorhandenen Kitas nicht ausreichten – jetzt müssen wohl einige dieser älteren Kitas schließen.

Eher um Geschmacksfragen ging es nach Einschätzung des Bundes der Steuerzahler beim Dienstsitz des Innenministers. Die Bürotürme an der Spree waren von Ex-Minister Manfred Kanther (CDU) für stolze 1,1 Millionen Mark pro Monat angemietet worden. Sein Nachfolger Otto Schily (SPD) ließ sie erst mal umbauen – für weitere 1,6 Millionen Mark.

Die wachsende Verschwendung forciere „den Verfall der Steuermoral“, monierte Däke. „Die Steuerzahler sehen einen Widerspruch darin, dass der Steuerhinterzieher mit drastischen Strafen rechnen muss, während der Steuergeldverschwender in der Regel straffrei ausgeht.“ Der Untreue-Paragraph des Strafgesetzbuches reiche nicht aus, immer wieder würden Verfahren, die der Steuerzahlerbund angestrengt habe, mit Hinweis auf fehlende rechtliche Grundlagen eingestellt. Seine Forderung: einen neuen Straftatbestand der Amtsuntreue und die Einrichtung eines unabhängigen Amtsanklägers nach dem Vorbild der unabhängigen EU-Staatsanwaltschaft, die der sogenannte Rat der Weisen nach dem Korruptionsskandal als Kontrollorgan für die EU-Kommission vorgeschlagen hatte.

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