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Ein Krieg nach Nato-Vorbild

Präsident Jelzin will die tschetschenischen Rebellen besiegen, einen zweiten Bodenkrieg will er nicht. So setzt er, wie der Westen im Kosovo, auf Luftangriffe  ■   Von Barbara Kerneck

Moskau (taz) – Bereits eine Woche lang bombardieren Flugzeuge der Russischen Föderation Tschetschenien. Während die Generäle in Moskau von „punktuellen Bombardements“ sprechen, bezeichnet man diese in Tschetschenien als „flächendeckend“. Um zu beweisen, dass sich die Angriffe ausschließlich gegen zentrale Objekte der Infrastruktur richten, die auch von den Rebellen genutzt werden, organisiert das Verteidigungsministerium Pressekonferenzen im neuen Stil. Vorbild ist dabei der Stil, in dem die Nato in Brüssel während des Kosovo-Kriegs die Journalisten informierte.

Zwar werden noch keine Filmaufnahmen der Luftwaffenaktionen geboten, aber doch immerhin „Vorher-nachher“-Fotos der Zielobjekte. Im Laufe des gestrigen Vormittags präsentierte man so die Zerstörung mehrerer Ölraffinerien sowie die Vernichtung eines noch im Bau befindlichen Fernsehzentrums am Rande der tschetschenischen Hauptstadt Grosny. Nicht gezeigt werden der Öffentlichkeit dagegen die Angriffe auf tschetschenische Dörfer, in denen das russische Militär Schlupfwinkel militanter Islamisten vermutet.

Die Tschetschen selbst kann die russische Führung mit ihrer Informationspolitik nicht überzeugen. Die Nachbarrepublik Inguschetien musste inzwischen 50.000 Flüchtlinge aufnehmen – und ist dadurch völlig überfordert. Vorerst schloss man so am Sonntag die Grenzen zu Tschetschenien. Augenzeugen berichten, dass die russischen Luftangriffe vor allem Zivilisten treffen. Tschetscheniens Präsident Aslan Maskhadow gab am Montag an, allein in Grosny seien 420 Menschen umgekommen.

Russlands Premierminister Wladimir Putin versucht die Befürchtungen zu zerstreuen, dass sein Land ein zweites Mal, wie schon 1994 – 96, einen hohen Blutzoll in einem die Soldaten demoralisierenden Krieg gegen Tschetschenien entrichten müsse. „Diesmal werden wir unsere Jungs nicht dem Feuer aussetzen“, sagte Putin in einem Interview. Man werde keine Bodentruppen einsetzen, höchstens hoch qualifizierte Sondereinheiten für „Aufräumaktionen“. Während des Tschetschenienkrieges waren schätzungsweise 100.000 Menschen getötet worden. Wochenlang hatte die russische Armee zur Eroberung Grosnys gebraucht. Daraus – und aus den Luftangriffen der Nato gegen Serbien – scheint man nun in Moskau gelernt zu haben. Zudem stehen aber an der Grenze zu Tschetschenien starke russische Einheiten in Bereitschaft.

Doch in der russischen Öffentlichkeit werden bereits Zweifel über die Ziele des Krieges laut. Die Luftangriffe, so lautet die Kritik, sollten allein die Popularität Putins heben. Dieser wolle sich in den Augen der BürgerInnen der Russischen Föderation als Mann profilieren, der mit eiserner Faust gegen einen kriminellen Staat vorgeht, der die Heimat von Terroristen ist, die in russischen Städten Bomben legen. Angesichts der Angst der Russen vor weiteren Anschlägen verspricht diese Taktik durchaus Erfolg. Nach einer vom Fernsehsender NTV in Auftrag gegebenen Meinungsumfrage erhöhte sich der Anteil derer, die bereit wären, Putin zum Präsidenten zu wählen, während der letzten Woche von 2 auf 7 Prozent.

Dagegen vernichtet die Operation mit Sicherheit Russlands Aussichten, in der nächsten Zeit zu irgendeiner Einigung über den verfassungsrechtlichen Status Tschetscheniens zu gelangen. Die rivalisierenden tschetschenischen Kommandeure, die sich seit der Mitte des Jahres befehden, schließen sich angesichts der russischen Bedrohung wieder zusammen. Präsident Aslan Maskhadow hatte sich bisher von den Aktionen islamistischer Fundamentalisten im Nachbarstaat Dagestan entschieden distanziert. Doch am letzten Wochenende öffnete er angesichts der Bedrohung von außen die Tore der staatlichen Krankenhäuser für die in Dagestan Verwundeten und versprach den Witwen der Gefallenen Pensionen.

„Das Ziel dieser Operation ist eindeutig, Putins Beliebtheitskurve mit einem kleinen, siegreichen Krieg in die Höhe zu treiben“, sagt auch Wladimir Pribylowski vom Moskauer politologischen Forschungszentrum Panorama. Seiner Meinung nach ist Moskau nicht daran interessiert, in Tschetschenien Rebellen-Führer wie Hattab oder Bassajew zu beseitigen, weil die verworrene Situation Putin und Jelzin gelegen komme: „Sie brauchen Bassajew und Tschetschenien, um die Leute in die Arme des gegenwärtigen Regimes zu treiben.“ Tatsächlich hat der Krieg die russische Öffentlichkeit von dem Skandal um die verschwundenen IWF-Gelder abgelenkt, bei dem auch Präsident Jelzins Töchter und Personen aus seiner näheren Umgebung unter Verdacht geraten sind. Der Präsident favorisiert gegenwärtig Wladimir Putin als seinen Nachfolger. Man geht davon aus, dass Putin nach einer möglichen Abdankung Jelzins dessen Leuten Freiheit vor Strafverfolgung garantieren würde.

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