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„Liebe taz...“ Sind wir alle Philosophen?

Betr.: Behörde als „Fälscherwerkstatt“, taz vom 25./26.9.1999

Seit Kant wissen wir, dass wir nichts wissen über das Ding an sich, sondern nur über die Erscheinung. Seit letzter Woche wissen wir noch mehr: Wir wissen durch das OLG, das jeder x-beliebige Anwalt seiner Meinung freien Lauf lassen darf. Als freie Meinungsäußerung ist der Satz „das Stadtamt ist eine Fälscherbude“ durch das Grundgesetz gedeckt. Aha.

Die andere Hälfte der Wahrheit ist, dass das Stadtamt gar keine Passpapiere für Ausländer erstellt, die aus Deutschland ausreisen müssen. Das tut nämlich die Botschaft des jeweiligen Staates, aus dem der Ausländer stammt. Mit anderen Worten: Man darf das Stadtamt auch dann als „Fälscherbude“ bezeichnen, wenn dort gar keine entsprechenden Papiere gefertigt – und schon deswegen auch nicht gefälscht – werden. Es muss sich nur um eine persönliche Meinungsäußerung handeln. Das wird dann in der taz auch so berichtet.

Hier entstehen ganz neue Perspektiven: Nicht mehr über Sachverhalte, Themen, Probleme oder Erfolge wird nun berichtet, sondern über Meinungen. Das Leben ist leicht, zum Beispiel für Journalisten oder für Pressesprecher: Sie erwarten vielleicht gar keine Informationen mehr, Hintergründe oder schlichte Antworten auf schlichte Fragen; es zählt die Meinung, nur „persönlich“ muss sie sein.

Ob diese Einstellung auch von ihren Lesern geteilt wird? Kant hatte sich das noch etwas anders gedacht.

Mit freundlichen Grüßen,

Im Auftrag Dr. Hartmut

Spiesecke, Pressesprecher

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