: Schlecht ist schlecht
■ Marcel Reich-Ranickis Kritik zu „Ein weites Feld“ – ein Auszug
Mein lieber Günter Grass, es gehöre „zu den schwierigsten und peinlichsten Aufgaben des Metiers“ – meinte Fontane –, „oft auch Berühmtheiten, ja, was schlimmer ist, auch solchen, die einem selber als Größen und Berühmtheiten gelten, unwillkommene Sachen sagen zu müssen“. Aber – fuhr er fort – „schlecht ist schlecht, und es muss gesagt werden. Hinterher können dann andere mit den Erklärungen und Milderungen kommen.“ Das ist, ziemlich genau, meine Situation.
Ich halte Sie für einen außerordentlichen Schriftsteller, mehr noch: Ich bewundere Sie – nach wie vor. Doch muss ich sagen, was ich nicht verheimlichen kann: dass ich Ihren Roman „Ein weites Feld“ ganz und gar missraten finde. Das ist, Sie können es mir glauben, auch für mich sehr schmerzhaft. Sie haben ja in dieses Buch mehrere Jahre schwerer und gewiss auch qualvoller Arbeit investiert. Sie haben, das ist unverkennbar, alles aufs Spiel gesetzt: Es ist das umfangreichste Werk Ihres Lebens geworden. Was soll ich also tun? Den totalen Fehlschlag nur andeuten und Sie schonen, Sie also wie einen „matten Pilger“ (auch ein Fontane-Wort!) behandeln? Nein, das nun doch nicht. Nur eins verspreche ich Ihnen: Wer hier auf boshafte Witze und auf hämische Seitenhiebe wartet, der soll nicht auf seine Rechnung kommen. Denn schließlich geht es um eine todernste Sache – jedenfalls für Sie.
Wollten Sie einen Roman über Fontane schreiben? Wohl kaum. Sie wissen doch, dass es längst einen solchen Roman gibt und dass ein Konkurrenzkampf mit jenem, der ihn verfasst hat, leichtsinnig, wenn nicht aussichtslos wäre. Und das ist kein anderer als Fontane selber: Aus seinen Briefen und Erinnerungen, Tage- und Reisebüchern, auch aus seinen Kritiken und nicht zuletzt aus seinen Romanen und Novellen ergibt sich ein Autoporträt, dem sich beides entnehmen lässt – wie er war und wie er gesehen werden wollte. (...)
Wie beinahe alle erfolgreichen Autoren gelten auch Sie – diesen Ruf verdanken Sie natürlich Ihren Kollegen – als größenwahnsinnig. Ich bin da ganz anderer Ansicht. Nicht Größenwahn, so will es mir scheinen, hat Ihre literarische Produktionskraft in den achtziger und in unseren neunziger Jahren stark beeinträchtigt, sondern eher Unsicherheit, genauer: mangelndes Selbstvertrauen. Fast habe ich den Verdacht, dass Sie jetzt mehr an Ihr Talent als Zeichner und Graphiker glauben denn als Erzähler, als Romancier.
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