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Mit Knüppeln gegen die „Nato-Söldner“

■ Die Belgrader Polizei prügelt weiter auf Demonstranten ein. Jetzt sind auch die Räume der oppositionellen Allianz umstellt

Belgrad (taz) – Von Tag zu Tag radikalisiert sich die Situation in Belgrad. Einerseits will das serbische Regime die friedlichen Proteste der unzufriedenen Bürger in der jugoslawischen Hauptstadt nicht mehr dulden, die Interventionen der Polizei werden immer brutaler. Andererseits kündigt die „Allianz für den Wandel“ „koste es, was es wolle“ unerbittliche Aktionen gegen Jugoslawiens Präsidenten Slobodan Miloševic an.

Noch am Donnerstag wollte die Allianz eine Auseinandersetzung mit der Polizei vermeiden und führte etwa 30.000 Menschen über die Brücke „Brankov most“ aus der Altstadt nach Neubelgrad. Doch plötzlich tauchte eine Spezialeinheit der Polizei von der Neubelgrader Seite auf und blockierte die Brücke. Die Allianzführer, allen voran Zoran Djindjic, Vorsitzender der „Demokratischen Partei“, versuchten mit dem Kommandeur zu verhandeln. Kurz darauf stürzten sich die Polizisten mit Schlagstöcken auf Djindjic, der mit Prellungen davonkam.

Die Masse geriet in Panik, auf der Brücke eingezwängte Menschen flüchteten, stolperten, rannten weiter. Wer zu langsam war oder zu Boden fiel, wurde von der Polizei brutal zusammengeschlagen. In der Altstadt fingen zwei weitere Kordons die Demonstranten ab. Eine wahre Hetzjagd begann. Polizisten stürmten in die unter Denkmalschutz stehende Kneipe „Fragezeichen“, demolierten das Lokal, prügelten alles kurz und klein. Einige Bürger versteckten sich in der Kneipe „Stara Varos“ vor einer Polizeieinheit. „Verräter! Schweine! Wir bringen euch um!“ schrie hysterisch ein aufgedunsener Polizist und schlug mit seinem Schlagstock wild um sich.

„Mit welchem Eifer und Genuss sie Menschen schlagen“, wunderte sich eine Kellnerin. „Das ist erniedrigend“, sagte ein älterer Mann. Das Regime würde die Bürger letztlich dazu zwingen, zu den Waffen zu greifen.

Es war offensichtlich eine geplante Einschüchterungsaktion der Polizei. Mit repressiven Maßnahmen versucht das Regime, die Protestwelle aufzuhalten. Menschen wurden von der Polizei zusammengeschlagen, nur weil sie Symbole oppositioneller Parteien trugen. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion besetzte die Polizei am Donnerstag die Redaktion der unabhängigen Tageszeitung Glas Javnosti und sperrte die Druckerei „ABC Grafik“ zu, in der die unabhängigen Magazine Vreme und NIN gedruckt werden.

Donnerstagnacht, gleich nach der Demo, versuchte die Polizei, ohne Haftbefehl Cedomir Jovanovic, den ehemaligen Studentenführer, nun Funktionär der „Demokratischen Partei“, festzunehmen. Der junge Mann flüchtete in die Räume der Allianz über dem populären Café „Guli“ im Zentrum Belgrads, die seitdem von der Polizei belagert werden. Jovanovic verkündete über seinen Anwalt, er wolle sich nicht ergeben. Erstens liege keine Anklage gegen ihn vor, und zweitens habe er keine Lust, sich windelweich prügeln zu lassen. Gestern wollte die Allianz eine Rettungsaktion organisieren, um Jovanovic aus der Umzingelung herauszuholen.

Die regimetreuen Medien bezeichnen die Anhänger der Allianz unermüdlich als eine „Gruppe von Nato-Söldnern“, denen Bill Clinton den Befehl erteilt habe, einen Bürgerkrieg in Serbien zu entfachen. Der Ultranationalist und Vizepremier Vojislav Šešelj erklärte: „Die Polizei hätte noch härter eingreifen sollen.“ Die Verletzungen eines minderjährigen Demonstranten, der eine Gehirnerschütterung erlitten hatte, kommentierte er mit einem Lächeln: „Wie konnte sein Gehirn verletzt werden, wenn er anscheinend gar keins im Schädel hat!“

In Berlin sicherte Außenminister Joschka Fischer gestern serbischen Oppositionellen seine Unterstützung zu. In einem Gespräch mit Vertretern der Gruppe G 17 sagte Fischer, er werde sich für ihre Vorschläge einsetzen. Dabei geht es um Winterhilfe für oppositionelle Städte. Andrej Ivanji

Kommentar Seite 14

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