: Gnadenfrist für Ecuadors Staatsfinanzen
■ Brady-Bond-Gläubiger vorerst mit Zinszusagen ruhig gestellt
Buenos Aires (taz/AFP) – Noch freuten sich die Teilnehmer der Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington, dass es mit den Finanzsystemen nach den Problemen des letzten Jahres nun endlich wieder aufwärts zu gehen schien, da kriselte es schon wieder. Diesmal in Ecuador.
Der ecuadorianische Präsident Jamil Mahuad hatte vergangene Woche verkündet, dass sein Land die am Donnerstag fällig gewesenen Schulden aus den Brady-Bonds nicht zurückzahlen könne. Diese Anleihen waren 1989 vom damaligen US-Finanzminister Nicholas Brady für die 39 meistverschuldeten Länder eingeführt worden; Ecuadors Brady-Bonds stammen aus dem Jahr 1995.
Mahuad im Fernsehen: „Ecuador kann und wird auf seine Anleihen mit Garantie keine Zinsen zahlen.“ Lediglich die nicht durch Garantien des US-Finanzministeriums gedeckten Zinsen könnte seine Regierung begleichen. In Zahlen heißt das: Von den 98 Millionen Dollar, die Ecuador am Dienstag auf die Gläubigerkonten hätte überweisen müssen, werden nur 51,8 Millionen bezahlt. Den Rest werde Ecuador weiterhin schulden.
Schon wurde befürchtet, dass andere Länder mit größeren Brady-Schulden auf ähnliche Ideen kommen könnten, wenn man Ecuador gewähren ließe. Schon purzelten auch in Kolumbien die Wechselkurse, schon wurde es den ersten Anlegern in Argentinien mulmig.
Doch nun scheint die Krise vorerst behoben zu sein. Ecuador hat nach eigenen Angaben die drohende Zahlungsunfähigkeit zunächst abgewendet. Das sagte Zentralbankchef Pablo Better am Donnerstag in Washington. Mindestens ein Viertel der Anleihegläubiger hätten sich bereit erklärt, auf die vorzeitige Rückzahlung der Schuldverschreibungen zu verzichten und sich mit Zinsen zufrieden zu geben, die durch Einlagen bei der US-Zentralbank gesichert sind. Hätten 25 Prozent oder mehr der Gläubiger die volle Auszahlung dieser Anleihen im Wert von 1,4 Milliarden Dollar verlangt, dann wäre Ecuador zahlungsunfähig gewesen.
Mahuad erklärte in Quito, er habe sich mit dem IWF auf ein Wirtschaftsprogramm geeinigt, um sein Land aus der Überschuldung zu führen. Am Rande der Washingtoner Tagung hatte IWF-Präsident Michel Camdessus am Donnerstag noch für Verständnis für Ecuador geworben.
Der IWF-Kredit bringt einen Aufschub, nicht aber die Behebung der Krise. Ecuador steckt in der misslichsten wirtschaftlichen Lage seit 70 Jahren. Erst im Februar dieses Jahres musste der Wechselkurs der Nationalwährung Sucre freigegeben werden und hat seither um 80 Prozent an Wert verloren. Der Weltmarktpreis für Bananen, das Hauptexportprodukt, hat einen Tiefstand erreicht. Der Preis für Erdöl, ein weiteres wichtiges Exportprodukt, hat sich zwar wieder erholt, kann das Land aber nicht aus der Bredouille retten. Zu allem Überfluss bekam Ecuador im vergangenen Jahr das Klimaphänomen El Niño besonders stark zu spüren. Unzählige Menschen wurden bei schweren Unwettern und Überschwemmungen obdachlos, Bauern verloren ihre Ernte. Die Schäden werden auf eine Milliarde Dollar beziffert. Im vergangenen Jahr konnte Ecuador mit 43,3 Prozent die höchste Inflationsrate von Lateinamerika vorweisen. Etwa 62 Prozent der Bevölkerung Ecuadors leben in Armut, 35 Prozent davon in extremer Armut. Die offizielle Arbeitslosenrate wird zwar nur mit 11 Prozent angegeben, die Unterbeschäftigung, d. h. der Anteil derer, die wenig oder unproduktiv arbeiten, liegt aber bei 55 Prozent.
Ecuador ist das erste Land Südamerikas, das seine Schulden aus den Brady-Bonds neu verhandeln will. Die Gesamtschuld Ecuadors liegt bei 13 Milliarden Dollar, 6 Milliarden Dollar davon in Brady-Bonds – das entspricht etwa dem Bruttosozialprodukt des Landes. Ingo Malcher
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen