: Islamistische Doppelstrategie: Dialog und Ausgrenzung
■ Bei einer Diskussionsveranstaltung in der Berliner SPD-Zentrale verwehrt der Gastgeber Hasan Özdogan, Vorsitzender des Islamrats, kritischen Journalisten den Zutritt
Berlin (taz) – Mit einem Eklat begann am Donnerstagabend in der Berliner SPD-Zentrale diehochkarätig besetzte Podiumsdiskussion „Chancen und Perspektiven der Integration der Muslime in Deutschland“. Zwei Journalisten des lokalen deutsch-türkischen Fernsehsenders Aypa TV wurde vom Vorsitzenden des Islamrats, Hasan Özdogan, trotz Einladung durch die Bonner Zentrale der Zutritt zur Veranstaltung im Willy-Brandt-Haus verwehrt. Dort diskutierten der Herausgeber der Zeit, Theo Sommer, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Daimler-Benz AG, Edzard Reuter, das Präsidiumsmitglied des Zentralrats der Juden, Michel Friedmann, und der Publizist Peter Scholl-Latour mit Hasan Özdogan.
Als Begründung für den Eingriff in die Pressefreiheit gab Özdogan gegenüber der taz an: „Bei dem Sendeleiter Ali Yildirim handelt es sich um einen Unruhestifter, Verleumder, schmutzigen Journalisten und radikalen, ungläubigen Aleviten mit einem großen Rachebedürfnis an Muslimen.“ Weiter meinte Özdogan, dass man solche Journalisten nicht brauchen könnte und künftig sofort die Polizei benachrichtigen werde, um sie von Veranstaltungen des Islamrats fernzuhalten.
Hintergund der rüden Behandlung ist der investigative Journalismus von Aypa TV. In zahlreichen Beiträgen lieferte der Sender in der Vergangenheit Beweise für die Unterwanderungsstrategie der islamistischen Milli Görüs. Milli Görüs hat bundesweit rund 26.000 Mitglieder und arbeitet eng mit dem islamistischen Führer der Türkei, Necemettin Erbakan, zusammen. Wegen wiederholter antisemitischer Ausfälle und ihrer antidemokratischen Grundhaltung wird die Organisation, die auch die Mehrheit im Dachverband Islamrat besitzt, vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Recherchen von Aypa TV stören Milli Görüs und die von ihr dominierten Organisationen empfindlich bei ihrem Versuch, sich als der Ansprechpartner der Muslime in Deutschland zu etablieren.
So belegte Aypa TV kürzlich, dass die „Islamische Föderation“ in Berlin sowohl personell als auch organisatorisch eng mit Milli Görüs verflochten ist. Der erste Vorsitzende der Föderation ist zum Beispiel gleichzeitig zweiter Vorsitzender von Milli Görüs. Für die Islamische Föderation kommt diese Erkenntnis einer Katastrophe gleich. Denn am 4. November 1998 erstritt die Organisation vor dem Berliner Oberverwaltungsgericht mit der Beteuerung, sie habe nichts mit Milli Görüs zu tun, das Recht, künftig in Berliner Schulen islamischen Religionsunterricht zu erteilen. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht am 16. Juni das von der Berliner Schulverwaltung beantragte Revisionsverfahren zugelassen hat, dürften bei einer künftigen Entscheidung die Erkenntnisse von Aypa TV eine gewichtige Rolle spielen.
Bereits 1996 sorgte Aypa TV für Aufregung. Der Sender lieferte den Beweis, dass das Kreuzberger CDU-Mitglied Erdam Taskiran, zuständig für die Mitgliederbetreuung der Kreuzberger Mitglieder, gleichzeitig Sprecher von Milli Görüs-Berlin war.
Die Doppelstrategie des Islamrats scheint aufzugehen: Dialog mit den politischen und publizistischen Eliten der Bundesrepublik bei gleichzeitiger Ächtung und Einschüchterung kritischer Journalisten. So lobt Michel Friedmann die Podiumsdiskussion vom Donnerstag als „Versuch des dialogischen Prinzips des Respekts“. Ziel dieses Dialogs, so Özdogan, sei der Abbau der Islamfeindlichkeit in Deutschland und die Verminderung der Spannungen zwischen Deutschen und Muslimen.
Tatsächlich geht es auch um sehr viel Geld und Macht. Sollte es dem Islamrat oder einer der Unter- oder Tarnorganisationen von Milli Görüs gelingen, als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt zu werden, sind sie auf absehbare Zeit die Nummer eins in der heterogenen Gemeinschaft der Muslime in Deutschland. Kein Wunder, dass Özdogan Aypa TV mit allen Mitteln ausschalten möchte.
Eberhard Seidel
Kommentar Seite 14
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