■ Tod durch Strahlen

Bei zwei Arbeitern der japanischen Brennelemente-Fabrik traten die Folgen der Strahleneinwirkung schon kurz nach dem Unfall auf. Die besonders schwer verstrahlten Männer litten unter Bewusstseinsstörungen, Fieber und schwerem Durchfall. Anzeichen dafür, dass sie eine sehr hohe Strahlendosis abbekommen haben.

Eine hohe Anzahl von weißen Blutkörperchen in ihrem Blut deute darauf hin, so gab das japanische Wissenschaftsministerium gestern bekannt, dass die Männer einer Radioaktivität von mehr als acht Sievert ausgesetzt waren. Das ist vergleichbar mit der Strahlung bei der Explosion einer Atombombe.

Ohne „massive medizinische Hilfe“ würden diese Menschen sterben, erläutert dazu der Münchener Strahlenbiologe Professor Edmund Lengfelder. Das ganze Ausmaß des Störfalls kann jedoch noch nicht abgeschätzt werden. Denn noch liegen nicht ausreichend Daten darüber vor, wie viel Radioaktivität überhaupt freigesetzt worden ist.

Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass jegliche Form von radioaktiver Strahlung die Gesundheit beeinträchtigen kann. Selbst eine geringe Strahlendosis kann Spätschäden wie Krebs oder eine Veränderung des Erbguts zur Folge haben. Bei Menschen, die einer extrem hohen Strahlendosis ausgesetzt waren, sprechen Mediziner jedoch von Strahlenkranken, da die Symptome sofort auftreten. Und je höher die Strahlendosis, desto schneller und heftiger kommen die Reaktionen des menschlichen Körpers.

Zuerst zerstören die Strahlen die Schleimhäute des Magen-Darm-Trakts und der Atemorgane. Die Strahlenkranken bekommen Durchfall, erbrechen sich und leiden unter Schwindel. Auch die für die Blutbildung zuständigen Körperorgane werden angegriffen, was den ganzen Organismus schwächt. Ein meist unheilbarer Blutkrebs ist die Folge. Aber auch das Nervensystem kann bei einer sehr hohen Strahlung irreversibel geschädigt werden. Lähmungen, Krämpfe und Bewusstseinstörungen können zu einem schnellen, aber qualvollen Tod führen.

Weitaus schwieriger ist es dagegen, das Ausmaß der eventuell noch zu erwartenden Spätschäden einzuschätzen. Wie die Erfahrungen aus den beiden Atombombenexplosionen 1945 in Japan zeigen, können diese Schäden zum Teil erst nach Jahrzehnten auftreten. Schon geringste Strahlendosen können zu einer Veränderung des Erbguts führen, die dann in späten Lebensjahren ein Krebsleiden auslöst.

Erst in Jahrzehnten wird sich herausstellen, ob die Bevölkerung in der Umgebung der japanischen Anlage durch den Unfall gesundheitlich geschädigt wurde. Wie der Streit um die Leukämiefälle in der Nähe von deutschen Atomkraftwerken zeigt, wird es unter Umständen dann unmöglich sein, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Krankheit und Strahlung zu beweisen. Wolfgang Löhr