: Diepgen macht Wahlkampf auf Kosten von Kranken
■ Der Regierende Bürgermeister will nicht, dass sich Berlin an dem bundesweiten Modellversuch zur ärztlich kontrollierten Heroinabgabe an Schwerstabhängige beteiligt
Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hat der Teilnahme Berlins an dem geplanten bundesweiten Modellversuch zur staatlich kontrollierten Heroinabgabe an Schwerstabhängige eine klare Absage erteilt: „Unter meiner Führung werden auch in der nächsten Legislaturperiode keine finanziellen Mittel für solche Projekte bereitgestellt“, sagte Diepgen gestern.
Die drogenpolitischen Sprecher von SPD und Bündnis90/Grüne, Evelin Neumann und Michael Haberkorn, warfen dem Regierenden daraufhin vor, „auf Kosten von Kranken Wahlkampf“ zu betreiben. Diepgens Aussage stehe im krassen Widerspruch zu dem Beschluss des Abgeordnetenhauses.
Wie berichtet hat das Parlament am 24. September beschlossen, dass sich Berlin an dem Modellversuch beteiligen soll, wenn die finanziellen und wissenschaftlichen Voraussetzungen geklärt sind. Der Versuch richtet sich an erwachsene Schwerstabhängige, die mehrere erfolglose Therapieversuche hinter sich haben oder für die Drogenhilfe bislang nicht erreichbar waren.
Am Wochenende hatte die Bundesdrogenbeauftragte Christa Nickels (Bündnis 90/Grüne) an den Senat appelliert, „umgehend“ über eine Teilnahme Berlins an dem geplanten Modellversuch zu entscheiden. Andernfalls könne Berlin über wichtige Forschungsdetails des Mitte nächsten Jahres beginnenden Projekts nicht mehr mitbestimmen.
Die Ausschreibung für die wissenschaftliche Begleitforschung an dem Modellversuch läuft seit vergangener Woche. Interessierte Institute können sich bis zum 3. Januar 2000 bewerben. Düsseldorf, Essen, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Köln, München und Karlsruhe werden sich an dem Modellversuch beteiligen. Saarbrücken und Berlin dagegen haben noch kein grünes Licht gegeben.
„Die an der Begleitforschung interessierten Institute müssen für die Erstellung ihrer Studienskizzen wissen, mit welchen Städten sie zu rechnen haben“, erklärte der Referent der Bundesdrogenbeauftragten, Ingo Michels, gestern auf Nachfrage der taz. „Städte, die zu spät einsteigen, werden mit dem Problem zu kämpfen haben, dass die Rahmenbedingungen schon festgelegt sind.“
Die zuständige Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) ist für die Teilnahme Berlins an dem Modellversuch. Auch SPD, Bündnisgrüne und PDS votierten im Abgeordnatenhaus eindeutig für eine Teilnahme Berlins. Die Stimmung in der CDU dagegen ist gespalten. Diepgen hatte bislang öffentlich keine Stellung bezogen. Umso kräftiger machte Innensenator Eckart Werthebach (CDU) gegen den Heroinversuch Front. Werthebach und nun auch Eberhard Diepgen verfolgt die Angst, dass die Heroinabgabe als Freigabe von Drogen missverstanden wird. Es gibt aber auch aufgeschlossene CDU-Abgeordnete, die in den zuständigen Fachausschüssen für die Teilnahme Berlins an dem Modellprojekt votierten.
Plutonia Plarre
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