: Weniger Atomstrom in der Hauptstadt
■ BUND und Senat einigen sich über Stromverbrauch öffentlicher Gebäude. Umweltschützer fordern: Kein Atomstrom
Wenn heute in der Schöneberger Crellestraße die Füllfederhalter gezückt werden, soll auch darüber entschieden werden, ob und wie viel Atomstrom künftig in den Berliner Amtsstuben verbraucht wird.
Nach langwierigen Verhandlungen werden in der Berliner Zentrale des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing, Umweltsenator Peter Strieder und BUND-Vorstand Albert Wotke eine „Gemeinsame Erklärung zur Nutzung der Atomenergie in Berlin“ unterzeichnen. Geklärt werden damit die Eckdaten für die zukünftige Energiebezugspolitik des Senats für die zehn Millionen Quadratmeter Nutzfläche öffentlicher Gebäude.
Umweltverbände und die Partei Bündnis 90/Grüne fordern seit längerem, in der Stadt auf die Verwendung von Atomstrom ganz zu verzichten. Dem stand bisher die Haltung der Finanzsenatorin gegenüber, die auf den Bezug möglichst preisgünstigen Stroms setzte.
Die Regierungskoalitionen konnten sich in der Vergangenheit nicht zu einer klaren Ablehnung von Atomstrom durchringen, kritisierte ein BUND-Sprecher. „Der Atomunfall im japanischen Tokaimura zeigt nun aber aufs Neue, dass selbst als sicher geltende Atomanlagen katastrophale Gefahren bergen“, so der Sprecher. In diesem Zusammenhang trage auch die Bezugspolitik des Senats eine Verantwortung.
Bisher war im Westteil der Stadt der Bezug von billigem Atomstrom nicht möglich, da der Berliner Stromversorger Bewag die Durchleitung von Fremdstrom aus anderen Regionen verweigerte. Durch eine Verfügung des Bundeskartellamtes wird die Bewag nun gezwungen, Fremdstrom durchzuleiten.
Bereits in der Vorwoche hat das Abgeordnetenhaus eine Initiative zur Bevorzugung grünen Stroms beschlossen. In einem einstimmig gefassten Beschluss wurde der Senat dazu aufgefordert, künftig für die 6.000 öffentlichen Gebäude nur noch Strom einzukaufen, der zu mindestens 40 Prozent aus Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) stammt. Zusätzlich soll der Strom ab 2001 zu 5 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Dieser Anteil soll dann jährlich um 2 Prozentpunkte steigen. Ein Drittel davon muss aus Berliner Solarstromanlagen stammen.
Sollte der Vorstoß des Abgeordnetenhauses verwirklicht werden – der neue Senat müsste dem nach der Wahl am 10. Oktober noch zustimmen – könnten hunderte Arbeitsplätze bei dem Berliner Stromversorger Bewag gesichert werend. Grund: Der Beschluss schützt den umweltverträglichen KWK-Strom der Bewag. Immerhin rund zehn Prozent des Stromverbrauchs in Berlin gehen auf das Konto öffentlicher Einrichtungen wie Verwaltungen, Bezirksämter, Schulen, Universitäten et cetera.
Auch die vor sich hin dümpelnde Solarbranche der Stadt profitiert von dem Beschluss. Sollte die politisch gewollte Solarstromquote Realität werden, müssten nach 2001 Fotovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von mehreren Megawatt neu gebaut werden. Die Gesamtkapazität der Sonnenstromanlagen in der Hauptstadt liegt derzeit bei lediglich 1,5 bis 2 Megawatt. rot
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