: Fehlerkontrolle statt Neuauflage
■ Der Deutsche Richtertag debattiert über Herta Däubler-Gmelins geplante Justizreform. Fundamentalkritik ist nicht zu erwarten
Karlsruhe (taz) – Es soll nicht wie bei den Ärzten enden. Auf dem Deutschen Richtertag, der gestern in Karlsruhe begann, warben alle Seiten für einen konstruktiven Umgang bei der anstehenden Justizreform. Sowohl Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) als auch Rainer Voss, der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, zeigten sich gesprächsbereit.
Vor rund 500 RichterInnen und StaatsanwältInnen skizzierte die Ministerin noch einmal die wesentlichen Punkte der von ihr angestoßenen Reform des Zivilprozesses. Alle Maßnahmen sollen eine bessere Nutzung der gerichtlichen Ressourcen ermöglichen. So soll künftig vor dem eigentlichen Prozess eine außergerichtliche Streitschlichtung versucht werden. In einfachen Fällen soll künftig regelmäßig ein Einzelrichter urteilen. Veränderungen sind auch für die Berufungsinstanz vorgesehen, die nicht mehr alle Beweise neu erheben, sondern nur noch eine Fehlerkontrolle betreiben soll. Dafür müsse in Zukunft bei mehr Zivilprozessen überhaupt wieder eine Berufung möglich werden; derzeit sind es nur rund 60 Prozent.
Aus der Anwaltschaft war vor zwei Wochen heftige Kritik gegen das „unnötige“ Vorhaben geäußert worden. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) will die zweite Instanz als „Tatsacheninstanz“ erhalten, das heisst, dass dort ein Prozess weiterhin völlig neu aufgerollt werden kann.
Auch in der Richterschaft ist die Stimmung nicht gerade reformfreundlich. Um so bemerkenswerter, dass Rainer Voss seine Verbandsmitglieder zu Beginn des Richtertags ausdrücklich zur Mäßigung aufrief. „Wer sagt, hier stehe der Rechtsstaat auf dem Spiel, überzieht maßlos“, betonte Voß, der die Hauptgefahr für eine unabhängige Justiz eher in einer zunehmenden Ökonomisierung der Gerichte sieht. „Wenn nur derjenige als guter Richter gilt, der seine Fälle schnell erledigt, dann ist die Qualität der Rechtsprechung in Gefahr.“ Christian Rath
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