■ Konzerne: Natürlich bleibt DaimlerChrysler in Stuttgart: Übertriebene Aufregung
Deutschland ist leicht zu erschüttern, wenn es um die Wirtschaft geht. Die Globalisierungsdebatte hat die Macht der Konzerne ins Bewusstsein von Politik und Bevölkerung gerückt. Und sie hat dabei einen Reflex hinterlassen, der auf jede Meldung aus den großen Unternehmen vorauseilenden Gehorsam in Gang setzt. Da bedarf es inzwischen schon gar keiner Drohung mehr, eine Spekulation genügt. Und schon schnappt die Falle zu: Was machen die da? Was wollen die? Und: Was können wir tun, um sie davon abzuhalten? Doch die Aufregung ist übertrieben. Und sie nützt nur den Neoliberalen, die die Standortdiskussion nun wieder belebt und gute Gründe für eine noch größere Entlastung der Unternehmen sehen.
Da gibt es bei DaimlerChrysler also eine Arbeitsgruppe, die untersucht, ob ein Wechsel des Firmensitzes von Stuttgart nach Auburn Hills in den USA und eine neu gegründete Holding in Zürich dem Konzern Vorteile bringen könnte. Ein Weltkonzern macht sich Gedanken über verschiedene Standorte. Na und? Wäre das anders, könnte man Unternehmenschef Jürgen Schrempp grobe Fahrlässigkeit vorwerfen. Denn er ist verantwortlich für das Wohl und Wehe des Unternehmens, für Mitarbeiter und die Rendite der Anteilseigner. Selbstverständlich beschäftigt er Fachleute, die die Auswirkungen gesellschaftlicher Veränderungen in Modellrechnungen untersuchen und ihn mit Argumenten für unternehmerische Entscheidungen und auch die Auseinandersetzung mit der Bundesregierung über die Steuerreform versorgen.
Natürlich könnte dabei auch irgendwann einmal herauskommen, dass es betriebswirtschaftlich angezeigt ist, Firmensitz und Zentrale zu verlagern. Im Moment braucht man sich darüber allerdings keine Sorgen zu machen. Schließlich hatte man die Möglichkeit einer Zentrale in den USA oder eine Holding in den Niederlanden oder Großbritannien schon vor der Fusion durchgerechnet. Herausgekommen ist ein klares Ja für Stuttgart: Die Unternehmenstradition hat dabei eine Rolle gespielt, ebenso die Nähe zum wichtigen deutschen Markt und die Steuer. Denn der Verlustvortrag erlaubt es dem Konzern, auch in den nächsten Jahren noch so gut wie keine Steuern zu zahlen. An diesen Bedingungen hat sich wenig geändert, die Belastung soll mit der Unternehmenssteuerreform sogar weiter sinken. Bei einem Umzug dagegen müssten sogar die stillen Reserven aufgedeckt werden. Der Stern wird Stuttgart also noch eine Weile erhalten bleiben. Beate Willms
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