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■ Die privatisierte britische Bahn war von Anfang an eine einzige Katastrophe
Die Privatisierung der staatlichen Eisenbahngesellschaft British Rail, die zum Schluss jährliche Verluste von 360 Millionen Mark eingefahren hatte, war eines der Lieblingsprojekte der damaligen Tory-Regierung. Und sie war von Anfang an umstritten: Nicht nur die Oppositionsparteien und Gewerkschaften, sondern auch Benutzerverbände, die Angestellten von British Rail und selbst viele Tory-Hinterbänkler prophezeiten einen „bürokratischen Alptraum“ und eine Verschlechterung des Service.
Sie behielten Recht. British Rail wurde in 25 Einzelunternehmen aufgespalten, die letzte Strecke wurde vor drei Jahren verkauft. Hinzu kam Railtrack, das für das Schienennetz und die Signale zuständig ist – und für die Fahrpläne. Die waren von Anfang an eine einzige Katastrophe: Die erste Nach-Privatisierungs-Ausgabe, ein 2.100 Seiten dicker Wälzer, enthielt so viele Fehler, dass zwei Ergänzungsbände mit Korrekturen gedruckt werden mussten.
Laut Fahrplan, den sich Railtrack von den Eisenbahngesellschaften mit einer Viertelmillion Mark bezahlen ließ, wären nämlich Züge unweigerlich zusammengestoßen, andere verschwanden unterwegs einfach, weil man vergessen hatte, sie bei der Überschreitung der Grenzen zwischen den Einzelunternehmen zu übernehmen.
Doch schon bald wurde das Bahnnetz übersichtlicher, wenig rentable Strecken wurden nach der Privatisierung stillgelegt. Durchbuchungen sind jedoch kompliziert, weil die verschiedenen Unternehmen ihre Fahrpläne kaum koordinieren, die Züge sind kürzer und fahren seltener. Eines der Unternehmen, South West Trains, entließ gleich am Anfang 70 Lokomotivführer und merkte dann, dass es nicht mehr genügend Personal für die Züge gab. Außerdem kannte das Restpersonal bestimmte Strecken gar nicht und musste erst die Schulbank drücken, bevor es auf die Kundschaft losgelassen werden konnte.
Die Folge ist, dass die Eisenbahnen zu Stoßzeiten hoffnungslos überfüllt sind. Theoretisch stehen jedem Fahrgast laut Vorschriften 0,55 Quadratmeter Raum zu, sonst muss das Unternehmen Strafe zahlen. In Wirklichkeit quetscht sich die Kundschaft manchmal sogar in die Kofferablage, um mitgenommen zu werden.
Da die Lizenzen nicht langfristig vergeben wurden, hüten sich die Unternehmen, voreilig in einen besseren Service oder in teure Sicherheitssysteme zu investieren. Ralf Sotscheck
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