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Erbitterung über das Angebot für Zwangsarbeiter

■  Lambsdorff: Wir bieten sechs Milliarden Mark. Reaktion der Opfer-Anwälte: Deutsche Firmen sind die „modernen Raubritter der nächsten Jahrtausends“

Washington (Reuters/AFP/AP – Die Bundesregierung und deutsche Firmen haben am Donnerstag bei den Verhandlungen zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter nach Angaben von Anwälten sechs Milliarden Mark angeboten. Dieses Angebot für hunderttausende NS-Zwangsarbeiter sei aber viel zu gering, erklärten die Anwälte der Opfer in Washington. Die deutschen Firmen erwiesen sich damit als die „modernen und echten Raubritter des kommenden Jahrtausends“. Der Sonderbeauftragte der Bundesregierung, Otto Graf Lambsdorff, verhandelt derzeit in Washington über die Höhe der Entschädigungssumme. Bislang war in Verhandlungskreisen eine Summe von fünf bis acht Milliarden Mark genannt worden.

Die Anwälte der ehemaligen Zwangsarbeiter sprachen von einer „enormen Enttäuschung“. „Ich habe der deutschen Delegation gesagt, dass sie der deutschen Regierung und dem deutschen Volk mehr Schaden zugefügt hat, als sie sich je vorstellen kann“, sagte der Anwalt Mel Weiss. Das Angebot belaufe sich umgerechnet auf das Jahr 1940 auf weniger als 300 Millionen Dollar (550 Millionen Mark).

Weiss hatte zuvor am Rande der Verhandlungen erklärt, Lambsdorff habe angekündigt, das deutsche Angebot werde würdevoll und angemessen sein. Er gehe davon aus, dass die Worte „würdevoll“ und „angemessen“ in diesem Zusammenhang wohl die Interessen der Aktionäre betreffen. Weiss hatte von der deutschen Industrie mindestens 20 Milliarden Dollar gefordert. Der Anwalt des Weltkongresses der Orthodoxen Jüdischen Gemeinden sagte, die deutsche Industrie scheine zu versuchen, mit einer möglichst billigen Lösung davonzukommen, die nicht akzeptabel sei.

Lambsdorff hatte sich am Donnerstag zu Beginn einer neuen Verhandlungsrunde mit Vertretern jüdischer Organisationen, acht Regierungen, Firmen und Opfer-Anwälten vorsichtig optimistisch geäußert. Er hoffe, es werde eine Einigung geben, sagte er bei seiner Ankunft im US-Außenministerium. Im WDR sagte er aber auch, für eine Lösung werde mit Sicherheit eine weitere Konferenz benötigt.

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