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In die Geschichtsbücher wird Eberhard Diepgen wohl nicht eingehen. Eher in das Guinnessbuch der Rekorde als „der Ebi“, der es mit Föhnfrisur bis zum Stadtpräsidenten geschafft hat. Dennoch hat er sich im Roten Rathaus zum Landesvater mit blassem Lächeln gemausert, mehr durch das Zutun anderer als mit eigenem Profil.
Die Hall of Fame für Loser ist das Geringste, was Walter Momper blüht. Vom Regierenden zum Mann mit dem kleinen Baugeschäft ging sein Weg. Sicher, er hat sich bemüht, wieder auf das Podest zu kommen, hat Rote-Schal-Zeiten beschworen und den „Chef“ markiert. Ohne Wirkung. Man wird ihn vergessen.
Wenn ein Ex-Grüner wie Harald Wolf sich bei der PDS engagiert, könnte man Rachegelüste bei ihm vermuten. Doch Wolf ist nicht der Gleichnamige im Schafspelz. Er gibt nicht den bösen Buben, hofft weiter auf die Volksfront und bleibt sich treu als softer Antifa. Das macht er schon lange und wird es weiter machen.
Joschkas Turnschuhe stehen im Museum, ihr Haargel bald auch? Renate hat sich mit ihren namenlosen „Wen sonst?“-Plakaten monumentalisiert. Wenn sie in Erinnerung bleiben will, muss sie in die Bundespolitik springen. Mit ihrer Pseudo-Punk-Frisur schon jetzt bestens geeignet fürs anstehende Achtziger-Jahre-Revival.
Aussterbende Arten gehören unter Denkmalschutz gestellt. Auch wenn die kriselnde Hauptstadt-FDP immer radikaler wird. Landeschef Lange fordert jetzt schon die Privatisierung von Friedhöfen. Ansonsten aber laufen die Liberalen längst außer Konkurrenz. Deshalb: keine Bewertung.
Sex, Drogen und Rock'n'Roll kennt Diepgen nur vom Hörensagen. Präventiv will er trotzdem alles verbieten. „Ebi“ kommt mit volkstümlichen Schlagern wie „Holocaust-Denkmal, oh no, no, no“ bei allen an, die beim Stichwort „Rente ab 60“ nur noch müde lächeln können. Bester Gig: „Live mit Kunzelmann“.
Momper wollte ein riesiges Comeback starten. Doch seine Single „Always Gerhard Schröder“ floppte. Größter Hit: Das „Deutschland-Lied“, das er beim Fall der Mauer so falsch sang, dass im Umkreis von Kilometern die Kühe schwanger wurden. Hat politisch soviel Zukunft vor sich wie Falco in der Pop-Branche.
Seit der Gesichtspelz von Wolf ab ist, wissen alle, dass er sogar einen Gesichtsausdruck hat! Sein „Gangsta-Style“ ist im Parlament nur in Underground-Kreisen angesagt. Wunschtraum: Einmal mit SPD und Grünen den Schlager „Herz ist Trumpf“ vorspielen. Klappt aber nicht, weil die Partner noch ziemlich verstimmt sind.
Künast hat vor dem Wahlkampf mindestens eine halbe Stunde MTV geguckt und sich sofort Inline-Skates gekauft, um das rennende Diepgen peinlichkeitsmäßig noch zu überholen. Künast ist angeblich bekannt. Hatte im Abgeordetenhaus laut Statistik die längsten Shows und gab ungefragt Zugaben.
Diepgens Sexappeal ist auch in 11.600 Metern Höhe nicht zu bremsen. Bewiesen ist, dass der „Regierende“ der Pandadama Yan Yan auf dem Flug nach Berlin einen „Leckerbissen“ anbot. Trotzdem ließ Yan Yan ihn wegen des Bären Bao Bao sitzen. Yan Yan ist unfruchtbar,Diepgen und seine Frau haben zwei Kinder.
Momper hat mehr Herz als Wähler. Die natürlich enthaarte Stirn von Ritter Kahlbutz lässt Frauen dahinschmelzen, vor allem seine eigene. Aber auch „Putzfrauenaffären“ werden dem SPD-Spitzenkandidaten nachgesagt. Eine überstürzte Vermählung mit den Grünen endete 1990 mit einer Scheidung.
Exotische Praktiken sind Wolf nicht unbekannt: Der 43-Jährige „liebt es, am Landwehrkanal zu sitzen“, und nennt sich „Volksvertreter“ – in der Szene ein Codewort für wilde Orgien. Von Kindern ist nichts bekannt, von einer Frau an seiner Seite schon. Fazit: ein Kuschelbär, der „morgens gerne etwas länger schläft“.
Seitdem Künast 1993 wegen einer Liason mit dem SPD-Politiker Staffelt für Schlagzeilen sorgte („Koalition im Doppelbett“), hält sie sich in Sachen Amore bedeckt. Befragt nach ihrer letzten Sünde, orakelte sie im BZ-Fragebogen: „Kann denn Liebe Sünde sein?“ Eine Neuauflage von rot-grünen Affären aber scheint nicht in Sicht.
Diepgen steht im Zentrum der Macht. Er ist der Stoiber Berlins. Nur irgendwie besser. Denn selbst als Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft wurde ihm nichts nachgewiesen. Dabei geben sich die Amigos doch beim Groß-Airport die Klinke in die Hand. Bei Diepgen läuft offensichtlich alles wie geschmiert.
Walter Momper robbte während seiner politiklosen Jahre durch den Berliner Bausumpf und müsste somit eigentlich als absolut schmieranfällig gelten. Doch als Baulöwe war er so erfolglos, dass er sich sogar zurück in die Politk wagen musste. Auch da hat er laut Umfragen derzeit nur wenig Freunde.
Der kapitalistische Alltag eines Sozialisten ist trist. Wer steckt schon einem Abgeordneten unauffällig ein paar Scheine zu, der am liebsten jeden Bonzen im Namen des Volkes enteignen würde? Harald Wolf könnte allenfalls über die alten Seilschaften seiner sozialistischen Brüder aus dem Osten stolpern.
Hoch gehandelt wird Künast gerne. Als EU-Kommissarin hätte sie gewiss das Interesse international operierender Amigos erweckt. Auch als Parteichefin der Grünen. Als Oppositionsführerin in Berlin bleibt sie für Schmierereien uninteressant. Doch „Freunde“ porträtierten sie auf Wahlplakaten schon als Grafitto.
Diepgen verkörpert die Provinz. Dabei macht er seine Sache gut, solange er sich nicht als Hauptstädter versucht. Er dämpft nicht nur die Angst der Berliner vor der Metropole. Tritt er als Gast im Bundestag auf, weiß der Rest der Republik: Vor dieser Hauptstadt muss sich niemand fürchten.
20 Monate lang war Momper der glücklichste Mann der Welt. Nie war Berlin so sehr Metropole. Danach kam der Absturz, für die Stadt und mehr noch für Momper. Auf der nach unten offen Bräsigkeitsskala hat der Kandidat einen Spitzenplatz abonniert. Hauptstadtkompatibel ist das nicht.
Nur die PDS ist eine wahre Metropolenpartei. Schließlich vertritt sie die Hauptstadt der DDR. Dumm nur, dass Fraktionschef Wolf aus dem Westen kommt und immer noch in Kreuzberg wohnt. Da macht ihn auch sein Lichtenberger Wahlkreis nicht zum wahren Hauptstädter.
Kaum ist die Hauptstadt in Berlin, ergreift Künast die Gelegenheit – und setzt zum Sprung in die Bundespolitik an. Aufgeschoben ist schließlich nicht aufgehoben. Erträgt sie das Elend mit Diepgen, Momper & Co. nicht mehr, kann sie schnell ins Regierungsviertel flüchten.
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