■ Nebensachen aus Algier
: Schöne bunte Einkaufswelt

Algeriens Privatwirtschaft blüht. In vielen Garagen der Hauptstadt stehen längst keine Autos mehr. Ein paar Kacheln, eine Theke und eine Eingangstür aus Aluminium, fertig ist ein Café, ein Schnellimbiss oder ein Lebensmittelladen.

Die Kunden lieben es europäisch und amerikanisch. So steht für den schnellen Hunger zwischendurch der reiche Norden Pate. In Algier gibt es gleich mehrere Hamburgerbuden im Design des rot-gelben Marktführers aus Übersee. Auch der königliche Konkurrent, die bekannten Ketten der einstigen Metropolis Frankreich und der etwas luxuriösere Imbiss, für den Hollywoodstars und weltberühmte Modells werben, sind vertreten. Eine Lizenz hat freilich keiner der frischgebackenen Geschäftsinhaber. Auch wenn bis hin zu Schürzen, Mützen und Verpackungen alles penibel dem Original nachempfunden ist.

An den Wänden vieler Cafés werben blaue Plakate für die französische Orangina. Im Angebot ist freilich nur das algerische Produkt gleichen Namens. Auch das in der bauchigen Flasche. Was viele der jugendlichen Kunden längst vergessen haben: Eine Fabrik in Blida, mitten im Todesdreieck, ist die Geburtsstädte der Limo mit Fruchtfleisch. Als die Franzosen 1962 ihre Kolonie Algerien verlassen mussten, nahmen sie Name und Flaschendesign einfach mit.

Wer in den Cafés und Imbissbuden verkehrt, trägt Jeans und Sportschuhe, auf denen die Logos internationaler Marken prangen. Mit den Originalen haben sie oft nur eines gemein, den Preis. Die Nachbildungen kommen meist aus Tunesien und der Türkei und kosten in Algerien so viel wie in Europa das Original.

Der noch immer abgeschlossene Markt ist ein Paradies für die so genannten Businessmen. Lange Jahrzehnte lebte Algerien von den Erdöleinnahmen und baute keine eigene Industrie für Konsumgüter auf. Jetzt, da die Preise im Keller sind, rächt sich das. Der Staat führt kaum noch ein. Businessmen, die im Besitz eines der raren Visa sind, verdienen sich am Grauimport, dem trabando, eine goldene Nase.

Nichts, was nicht den Weg über die Grenzen findet und zu überhöhten Preisen an Mann und Frau gebracht werden kann. Die Regale der Superettes, wie die Algerier die Supermärkte im Garagenformat nennen, sind voll mit Waren, die von überall her nach Algerien eingeführt werden, aus Europa, Asien, Amerika. Selbst geschlossene Grenzen stellen für die trabandistes kein Problem dar. Erdnüsse, selbst Goldschmuck finden den Weg aus dem benachbarten Marokko auf den algerischen Markt.

Eine besondere Überraschung erleben die Käufer des Streichkäses Tammy. Das arabischsprachige Etikett verspricht ein einheimisches Produkt. Dem hungrigen Kunden blickt eine glücklich lächelnde Kuh entgegen, ganz so, wie auf dem wohl bekanntesten Produkt seiner Art, made in France. Einmal geöffnet, findet er acht Käseeckchen bedruckt mit einem Hirsch und der Aufschrift: „Reem, Made in Portugal“.

Nicht nur der Gewinn, auch der Einfallsreichtum der trabandistes kennt keine Grenzen. Was für den nordafrikanischen Verbraucher zu teuer ist – etwa Parfüm –, wird kurzerhand gefälscht. Das Ergebnis erinnert oft an die Einheitspampe sozialistischer Experimente.

Nur einmal, da katapultierten die algerischen Fälscher ihr Land an die Spitze des Weltmarkts. In einem Videoladen in Algier waren die Kassetten des Kinoschlagers Titanic bereits zwei Wochen vor dem offiziellen Verkaufsstart in den Regalen. Das war dann doch zu viel. Die Polizei schritt ein, schloss den Laden und übergab den Inhaber dem Kadi. Reiner Wandler