Kein Colt für alle Fälle

■ Der Revolverhersteller Colt fürchtet Schadenersatzklagen und gibt deshalb lieber das Geschäft mit Privatkunden auf

Berlin (taz) – Rauchende Colts dürften bald der Vergangenheit angehören. „Leg die private Handfeuerwaffe weg“, werden Gangster von nun an zwischen den Zähnen hervorpressen. Die Firma Colt will aus dem Revolvergeschäft für den gemeinen kleinen Verbrecher aussteigen. Ab November stellt er nur noch Militärwaffen und Sammlerstücke her.

Mit seinem Rückzug wolle der Waffenkonzern drohenden Schadenersatzfoderungen aus dem Weg gehen, erklärte ein Sprecher von Colt. Amerikas Revolverhersteller spüren die Pistole auf der Brust, seit die Milliardenklagen gegen die Tabakindustrie Erfolg zeigen. Schließlich lässt sich der Vorwurf, der Hersteller hafte für den Schaden, den sein Produkt anrichtet, auch auf die Waffenindustrie übertragen.

Tatsächlich haben in den USA bereits rund 30 Städte, Opfer von Schusswaffen sowie deren Angehörige Klagen eingereicht. Die Städte verlangen, dass Waffenfirmen für die medizinischen Kosten in ihren Gemeinden aufkommen, die durch die Versorgung der Opfer entstehen – bei jährlich rund 100.000 Verletzten und mehr als 30.000 Toten gewaltige Summen.

Einen Revolver der Marke Colt zückte der vierundvierzigjährige Mark Barton, bevor er Ende Juli in Atlanta neun Menschen erschoss. Für den Hersteller der Feuerwaffe Grund zur Besorgnis – weniger um die Angehörigen der Opfer als um sich selbst: Vor kurzem haben die Eltern eines bei einem Massaker getöteten Schülers angekündigt, den Waffenhersteller Navegar zu verklagen. Mit einem Gewehr des Herstellers hatten am 20. April zwei Schüler an einer Schule in Littleton 13 Mitschüler umgebracht. Colt muss mit ähnlichen Klagen rechnen.

Wolken über dem Pistolen-Tal“, titelte das amerikanische Nachrichtenmaganzin Newsweek düster. In dem „Gun Valley“ genannten Gebiet im Bundesstaat Connecticut hatte Samuel Colt 1836 seine Waffenfabrik gegründet. Fast zwei Jahrhunderte lang wurde hier der nach ihm benannte Revolver hergestellt, der als Fetisch hartgesottener Männer in keinem amerikanischen Krimi oder Western fehlen darf.

Doch was einst unter dem Eindruck der Revolution als Mittel zur Verteidigung der Freiheit erfunden wurde, ist zur Gefahr für die Freiheit amerikanischer Bürger geworden. Im Pistolen-Tal erleben die Colt-Mitarbeiter eine neue Revolution: diesmal gegen sich und ihr tödliches Produkt. 300 von 700 Arbeitern droht die Entlassung. Nach mehr als 150 Jahren geht der Schuss bei Colt nach hinten los. Katharina Koufen