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: Kaum ein Scherz

■ Ungarisch vergessen? Michael Naumann redete auf der Frankfurter Buchmesse

Was Frau Zech wohl sagen würde? Frau Zech, muss man wissen, ist hoch in den Siebzigern. Ihr Mann, möglicherweise Eisenbahnschaffner, schmiedete Verse wie: „Zwanzig Bügel hängen bereit / für Ober- oder Unterkleid.“ Seit ihr Mann starb, vermietet Frau Zech ein Zimmer ihrer Wohnung an Herren, die bei Ereignissen in der Messestadt Frankfurt kein Hotel mehr finden. Kürzlich hatte sie zwei Holländer, die auf einer Musikmesse ausstellten. „Abends sahen die immer piekfein aus“, meint Frau Zech, „aber wie lange die im Badezimmer dafür brauchten!“ Wie also Frau Zech die Besonderheit der gerade wieder einmal stattfindenden Frankfurter Buchmesse erklären?

Dass die Messe etwa von der Oberbürgermeisterin Petra Roth eröffnet wurde, ist wohl noch nichts Besonderes. Dass beim Festakt ein leibhaftiger Bundesminister dabei war, wohl auch nicht. Etwas anderes aber ist es schon, wenn der ungarische Staatspräsident seine Rede hält und so gut wie keiner der Festgäste daran gedacht hat, sich eins dieser Geräte zum Mithören der Simultanübersetzung mit in den Saal zu nehmen. Mag ja sein, werden sie gedacht haben, dass Ungarn Schwerpunktland der diesjährigen Messe ist, aber wenn die ungarischen Gäste etwas zu sagen haben, dann sollen sie es bitte schön auf Deutsch tun. Schließlich sind die meisten Bücher auf der Messe ja auf Deutsch – sogar die ungarischen.

Wirklich etwas Buchmessenspezifisches aber könnten die Reaktionen auf den Eröffnungsauftritt Michael Naumanns sein. Der sprach zwar in etwa so staatstragend und langweilig, wie auch der Bundesbauminister bei der Eröffnung einer Baumesse spricht oder der Landwirtschaftsminister zur Eröffnung einer Landwirtschaftsmesse. Aber dennoch freuten sich alle, wie man hinterher zu sagen pflegte, „dass wir ihn haben“. Schließlich wurde dieses Jahr insofern Geschichte gemacht, als die Messe zum ersten Mal in 51 Jahren von einem Kabinettsmitglied begleitet wird, das tatsächlich auch für die Belange der Kultur und der Bücher zuständig ist.

Gerade an Naumann kann man auch ablesen, wie lang doch so ein Jahr sein kann. Vor zwölf Monaten, auf der letzten Buchmesse, wusste noch niemand so recht, wie nun genau das Amt heißen würde, das er in der Regierung Schröder bekleiden sollte. Und doch war er das heimliche Zentrum der Veranstaltungen: Einige Scherzbolde hatten das Gerücht in Umlauf gebracht, Naumann wolle die Messe demnächst nach Berlin holen, und für einen Moment lang hielt man das sogar für gar nicht so unglaubwürdig. Alles schien möglich damals; schließlich war, kaum zu glauben, sogar Kohl abgewählt worden. Naumann eilte von Veranstaltung zu Veranstaltung, hatte seine Lesebrille in die Haare geschoben und redete und redete und redete. Alle wollten sie etwas wissen von ihm, und er hatte so viel zu sagen. Es gab keinen Zweifel: Naumann verkörperte den Aufbruch.

Und nun? Nun ja, irgendwie wird man den Eindruck nicht los, dass Naumann müde wirkt. Unwillkürlich fragt man sich, bei welchen Problemen er sich nun verschlissen hat: Ist es der Kampf gegen Brüssel wegen des festen Ladenpreises für Bücher? War es das Holocaust-Mahnmal? Oder ist es das fehlende Geld? Als Symbol für ein politisches Morgenrot taugt er jedenfalls schwerlich zurzeit; es würde, wie die Dinge um Schröder nun mal liegen, wohl auch übermenschlicher Anstrengungen bedürfen.

Und wer die Hoffnung hegte, dieses Jahr zumindest eine unterhaltsame Eröffnungsrede zu hören – schließlich hat Naumann mal als Journalist angefangen –, der sah sich eben leider enttäuscht. Bekenntnis zur Buchpreisbindung, Grußadresse an den Nobelpreisträger Günter Grass, Würdigung der neuen elektronischen Medien und dazwischen kaum einen Scherz: Naumann gab sich absehbar und vor allem unelegant. Offensichtlich hatte er sich vorgenommen, den vielen Rollen, die er in der Öffentlichkeit spielen kann – Moderator, Intellektueller, Bücherliebhaber, Weltbürger – noch die Rolle eines typischen Eröffnungsredners anzufügen. Es ist ihm gelungen.

Und was ist nun das Besondere an der Buchmesse? Noch ist es in diesem Jahr eher nicht auszumachen. Man wird sehen. Bislang scheint es, als sei die Messe noch normaler geworden, als sie es eh schon ist. Die Baumesse hat ihren Bauminister, die Wirtschaftsmesse ihren Wirtschaftsminister, und die Buchmesse hat seit diesem Jahr eben ihren Kulturminister. Das ist auch schon alles. Immerhin aber weiß man nun, wie Naumanns offizieller Titel „Staatsminister beim Bundeskanzler, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien“ im Ungarischen lauten würde. Es stand auf den Übersetzungszetteln für die ungarischen Eröffnungsgäste zu lesen: „A kultúráért és tömegtájékoztatásért felelös kormánymegbizott.“

Dirk Knipphals