: Kein Zwang zur Entschädigung
■ Bürgerschaft gegen Zahlungen an NS-Zwangsarbeiter. SPD-Abgeordnete distanziert sich von „respektlosem Vorgehen“
Ein unbürokratisches Vorgehen Hamburgs bei der Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern wird es weiterhin nicht geben. SPD, GAL und CDU lehnten am Mittwochabend einen Antrag der Regenbogen-Gruppe ab, in dem der Senat aufgefordert wurde, Entschädigungen zu zahlen.
Eine Entschädigungszahlung durch Hamburg würde die derzeit verhandelte Schaffung einer Bundesstiftung für die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern erschweren, verteidigte der GAL-Abgeordnete Martin Schmidt die vor zwei Wochen festgelegte Position des rot-grünen Senats (taz berichtete). Franklin Kopitzsch (SPD) verwies darauf, dass die Hansestadt durch die Stiftung für NS-Verfolgte versuche, das Unrecht teilweise wieder gut zu machen.
Anlass der Debatte ist ein Fall, der zurzeit vor dem Hamburger Arbeitsgericht verhandelt wird. Eine heute 72-jährige Polin verklagt die Hansestadt auf Entschädigung, weil sie während der Nazi-Diktatur auf ein landwirtschaftliches Gut der Hansestadt zur Zwangsarbeit verschleppt worden war. Bei einem Gütetermin Ende August hatte der Richter eine Zahlung von 13.000 Mark als Entschädigung und Schmerzensgeld vorgeschlagen. Diesen Vergleich hatte Hamburg abgelehnt. Der Polin wird aber eine humanitäre Hilfe in Höhe von 5400 Mark durch Privatpersonen gewährt.
Der Regenbogen-Abgeordnete Norbert Hackbusch verwies darauf, dass Hamburg mit dem Zahlen einer Entschädigung ein Signal setzen könne. Die Berufung darauf, dass durch die Entschädigung die Verhandlungen über eine Bundesstiftung gefährdet werden könnte, zeuge von „Armseligkeit im Umgang mit der Geschichte“. Seine Kollegin Julia Koppke warf den anderen drei Fraktionen und dem Senat „schäbiges Verhalten“ vor: „Sie spielen zynisch und unmenschlich auf Zeit.“
Und Eleonore Rudolph (CDU), die während des 2. Weltkrieges in einer Rüstungsfabrik zusammen mit russischen Zwangsarbeiterinnen arbeiten musste, erklärte: „Wiedergutmachen können wir nichts, aber wir sollten Gesten zeigen“. Sie warnte zumindest davor, „diese Last ins nächste Jahrtausend zu schleppen“.
Die SPD-Abgeordnete Silke Urbanski distanzierte sich gestern vom „respektlosen Vorgehen“ der Bürgerschaft gegenüber der ehemaligen Zwangsarbeiterin. Sie bat SPD-Bürgermeister Ortwin Runde, dafür zu sorgen, dass der Senat das zu erwartende Urteil des Arbeitsgerichts annimmt. Hamburg sollte den Richterspruch und die darin festgelegte Entschädigungssumme akzeptieren. smv
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