: Underperformance der Aufsicht“ statt Restrisiko
■ Der Unfall in Japan zwingt die deutsche Atomwirtschaft, öffentlich zu reagieren
Berlin (taz) – Der Atomunfall im japanischen Tokaimura beschäftigt auch die deutsche Atomwirtschaft. Und dort vor allem die Abteilungen für Öffentlichkeitsarbeit. Der Vorfall habe, so das Deutsche Atomforum, der Atomenergie weltweit „einen erheblichen Vertrauensschaden zugefügt“. So ist es kein Wunder, dass sich die Branche gezwungen sieht zu reagieren.
Hinter vorgehaltener Hand befürchten einige Atomkraftwerker bereits, der noch relativ glimpflich abgelaufene Unfall in Japan könnte langfristig stärker am Ruf der Atomkraft nagen, als es Tschernobyl im April 1986 tat. Begründung: Erstens ist Japan techologisch hoch entwickelt und daher mit Deutschland viel eher vergleichbar als Russland – dabei ist unerheblich, dass ein vollkommen identischer Unfall in Deutschland nicht passieren kann, weil die hier betriebenen Anlagen andere sind. Und zweitens platzte der Unfall, gut terminiert, mitten in die deutsche Diskussion um den Ausstieg aus der Atomenergie.
Wie nachhaltig der Eindruck von Tokaimura in Deutschlands Öffentlichkeit bleiben wird, weiß heute noch niemand. „Der Imageschaden ist ganz schwer abzuschätzen“, sagt Karl G. Bauer vom Deutschen Atomforum. Um dem Vorfall seine Brisanz zu nehmen, würde er am liebsten die Bezeichnung „Katastrophe“ aus der öffentlichen Diskussion zu verbannen: „Diese Formulierung ist leichtfertig.“ Denn eine wirkliche Katastrophe sei der Unfall mitnichten gewesen.
Ob eine Image-Offensive der deutschen Atomkonzerne den Schaden, der aus Japan kommt, beheben kann, ist fraglich. Die Unternehmen wollen es zumindest versuchen: „Den Unfall werden wir in unsere Öffentlichkeitsarbeit einweben“, sagt ein Sprecher der Branche.
Ob es Anzeigenkampagnen geben wird wie zu den Castor-Ttransporten im Frühjahr des vergangenen Jahres, lassen Branchenvertreter offen. „Über Konzepte rede ich nicht“, sagt Bauer. Auch die Informationszentrale der Elektrizitätswirtschaft (IZE), die Marketingabteilung der Stromversorgerlobby VDEW, will sich über Art und Umfang künftiger Beruhigungskampagnen noch nicht äußern.
„Klar, der Unfall in Japan hat Auswirkungen auf unsere Arbeit“, sagt unterdessen Wolfgang Breyer, Sprecher der Siemens-Kraftwerkssparte KWU. Die Energiewirtschaft werde sich „inhaltlich damit auseinandersetzen“.
Allerdings setzt er darauf, dass man der Bevölkerung darstellen müsse und könne, dass dieser Unfall mit dem viel zitierten Restrisiko „nichts zu tun“ habe. Denn das Restrisiko sei technischer Natur, in Japan aber habe es eine „nachweisbare Underperformance“ der Atomaufsicht gegeben.
Bernward Janzing
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