piwik no script img

Blutiges Gemetzel mit Stil

■ Die Vorschau: Heute liest der US-amerikanische „Skandal“-Autor Bret Easton Ellis aus seinem neuen Roman „Glomorama“

„American Psycho“ war dank seiner unbeteiligt wirkenden, funkelnden, und präzisen Erzählweise Präzision das erste wirklich tolle Buch des amerikanischen Autors Bret Easton Ellis (Jahrgang '64). Die kühle Art, mit der dort der Banker Patrick Bateman vorgeführt wird – in all seiner Konformität, seinen reaktionären politischen Ansichten und seinem erschütternden, in Kapiteln zu Whitney Houston, Phil Collins und anderen akribisch gezeichneten Musikgeschmack – zieht sich auch durch die Schilderungen seiner liebsten Freizeitbeschäftigung, die darin besteht, andere Menschen zu quälen, zu verstümmeln und nicht selten auch zu töten.

„Glamorama“, Ellis' neuer Roman, ist in dieser Hinsicht ähnlich radikal. Victor Ward, aufstrebendes Model mit dem Wahlspruch „Je besser man ausschaut, desto mehr sieht man!“, gerät in die Fänge einer Gruppe, die nicht nur eine vollbesetzte Boeing 747, sondern auch das Pariser Hotel Ritz in die Luft gehen lässt. Ellis' Beschreibung der blutigen Details lässt kaum zu wünschen übrig. Neulich gab er in einem Interview sogar zu: „Wenn ich darüber nachdenke, war es schon ein kleiner Spaß, das Hotel Ritz hochgehen zu lassen. Es ist ein Symbol für dieses Modejahrzehnt, das ausgelöscht werden musste. Natürlich nur fiktiv.“

Die Modewelt fungiert als Oberfläche der Gesellschaft, auf die in 'Glamorama' immer wieder verwiesen wird, wenn der Song „We'll slide down the Surface of Things“ auf irgendeiner Highend-Stereoanlage läuft. Und die terroristische Vereinigung rekrutiert sich ausschließlich aus Modelkreisen. Die zitierte Oberfläche, so Ellis, ist endlos. Victor Ward, der wie Teile des übrigen Personals übrigens auch schon in anderen Büchern Ellis' auftauchte, erhascht einen Blick auf das, was sich unter dieser Oberfläche befindet.

Seit er eines Tages beschlossen hat, eine Karriere als Model einzuschlagen, hat er es sich zur Gewohnheit gemacht, sich selbst in der Hauptrolle des Filmes seines Lebens zu sehen, weshalb er konsequenterweise alle Geschehnisse auf sich bezieht. Erst recht natürlich, als die Dinge beginnen, schief zu laufen. Die Regie führt jemand anders, und Ward ist schlechterdings zu dumm, um herauszufinden, wie die Geschichte funktioniert. Genau dieser Mangel macht ihn zu einem willfährigen Werkzeug.

Zum ersten Mal erzählt Ellis in „Glamorama“ eine 'richtige' Geschichte. Die aber dient vor allem dazu, seinen narzisstischen Protagonisten, der wie Patrick Bateman und seine anderen Figuren lediglich als Stellvertreter fungiert, ganz allmählich zu einem geistigen Wrack verfallen zu lassen. Wer sich unnötig mit der Frage herumplagt, ob Herr Ellis nun ein Moralist ist, oder das Gegenteil davon, kann ihn ja einfach mal selbst fragen. Die anderen erfreuen sich wahrscheinlich besser an dessen schwarzleuchtenden Humor. Andreas Schnell

Bret Easton Ellis liest heute ab 20 Uhr im Haus im Park (ZKH Ost) aus ,Glamorama'

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen