: Das Endziel Börse ist anvisiert
Der künftige Chef Hartmut Mehdorn gibt der Deutschen Bahn AG noch vier Jahre bis zur Privatisierung. Aber nicht der gesamte Konzern gehört an die Börse ■ Von Bernward Janzing
Berlin (taz) – Spekulationen um den Börsengang der Deutschen Bahn AG: Nachdem in den vergangenen Tagen Meldungen kursierten, der künftige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn wolle das Unternehmen bis zum Jahr 2003 für die Börse fit machen, ist die Diskussion um die künftige Struktur einer privatisierten Bahn losgetreten. Die spannende Frage lautet: Welche Teile des Konzerns sollen langfristig börsentauglich werden?
Denn die Deutsche Bahn ist seit Jahresbeginn eine Holding, unter deren Dach fünf einzelne Aktiengesellschaften zusammengefasst sind: für den Fernverkehr die DB Reise & Touristik, für den Nahverkehr die DB Regio, für den Güterverkehr die DB Cargo, für das Schienennetz die DB Netz, und für die Personenbahnhöfe die DB Station & Service.
Eine Börsenplatzierung des kompletten Bahn-Konzerns ist derzeit weder nach dem Gesetz möglich noch betriebswirtschaftlich denkbar. Für einzelne Teile steht der Börsengang – ob bereits 2003 oder erst einige Jahre später – jedoch außer Frage. Schließlich gilt er seit der ersten Stufe der Bahnreform 1994 als Endziel aller Umstrukturierungen. Seitdem firmiert die Bahn als Aktiengesellschaft, deren Anteile bislang aber noch komplett im Besitz der Bundesrepublik Deutschland sind. Der Börsengang wird das ändern, und das wird erhebliche Konsequenzen haben: Während der Bund als Eigentümer noch Verluste duldet, wollen private Aktionäre eine Rendite sehen.
Die Voraussetzungen für einen gewinnträchtigen Betrieb sind bei den einzelnen Aktiengesellschaften sehr unterschiedlich. Am ehesten börsentauglich dürfte der Fernverkehr sein, der schon heute auf einigen Strecken gute Gewinne einfährt. Der Nahverkehr hingegen wird im ländlichen Raum vermutlich nie kostendeckend arbeiten können. Und der Güterverkehr wird erst dann schwarze Zahlen schreiben, wenn die Politik ihm einen fairen Wettbewerb mit dem heute noch bevorzugten Straßengüterverkehr ermöglicht.
Die Deutsche Bahn will sich derzeit noch nicht äußern, wie denn ihr eigener Fahrplan an die Börse aussieht. „Es gibt dazu noch keine konkreten Pläne“, heißt es offiziell. Hinter den Kulissen wird aber schon heftig diskutiert. Brisant ist besonders die Frage, was mit der Gesellschaft DB Netz geschehen wird. Bahnexperten halten eine Privatisierung des Schienennetzbetreibers für problematisch – schon des fairen Wettbewerbs mit der Straße wegen. Denn eine ausschließlich auf Gewinnerzielung ausgerichtete Netz AG müsste möglichst hohe Nutzungsgebühren für die Schiene erheben. Autofahrer bezahlen auf der Straße keine Benutzungsgebühr. Dieses Ungleichgewicht kann niemand wollen, der die Bahn voranbringen will.
Die DB Netz müsse daher aus dem zu privatisierenden Konzern ausgegliedert werden, fordert auch Holger Jansen, Sprecher der Vereinigung Pro Bahn. Sinnvoll sei stattdessen eine Netz-GmbH in der Hand von Bund, Land und Verkehrsunternehmen oder eine Regulierungsbehörde wie in der Telekommunikation, die zumindest die Höhe der Trassenpreise regelt.
„Wenn das Bahnnetz an die Börse geht, bekommen wir eine Situation wie in England“, befürchtet Jansen. Dort steht die Netzgesellschaft unter massivem wirtschaftlichen Druck ihrer Aktionäre und unterlässt daher dringend notwendige Investitionen. Dass dies auf Kosten der Sicherheit gehe, habe kürzlich der schwere Bahnunfall bei London gezeigt.
Die besondere Bedeutung der Netz AG hat der deutsche Gesetzgeber zum Teil erkannt und daher im Grundgesetz verankert, dass die Bundesrepublik ihre Kapitalmehrheit an der DB Netz AG nicht aufgeben darf. Doch selbst durch den Verkauf von nur 49,9 Prozent der DB-Netz-Anteile würde die Gesellschaft unter starken Druck der Aktionäre geraten.
In den anderen Zweigen des Bahn-Konzerns könne der Zwang zu unternehmerischem Handeln dagegen durchaus „einen Motivationsschub bringen“, hofft Jansen. Zumal dann, wenn auch zunehmend andere Anbieter Züge auf den Gleisen der DB verkehren lassen und sich ein Wettbewerb um die Kunden entwickelt. Das entspricht auch der Vorgabe der EU, die verlangt, die Schienennetze für Dritte zu öffnen.
Somit ist zumindest eines heute sicher: Nachdem es zwischen 1949 und 1990 16 vergebliche Initiativen zur Reform der einstigen Bundesbahn gab, ist dieser 17. Versuch der erste, der die Bahn nachhaltig verändern wird.
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