Canan soll in den Kindergarten

Der Berliner Arbeitskreis Neue Erziehung bringt die zweisprachigen Elternbriefe für türkische Familien nun auch in anderen bundesdeutschen Städten heraus. Ein Beitrag zur interkulturellen Erziehung    ■ Von Songül Cetinkaya

Canan ist ein kleines türkisches Mädchen. Canan könnte auch Ayse oder Selma heißen. Sie könnte auch ein Junge sein. Ihre Eltern heißen Oktay und Hülya. Canans Mutter Hülya macht sich Gedanken über die Unterbringung ihres Kindes während ihrer Arbeitszeit. Soll Canan zur türkischen Oma, die ihr bestens die türkischen Werte vermitteln kann; oder soll das Kind lieber in eine Tagesstätte, wo es Kontakt zur deutschen Umwelt knüpfen kann? Hülya entscheidet sich für den Kindergarten.

„Ein multikultureller Kindergarten spiegelt die Entwicklung der letzten fünfunddreißig Jahre in Deutschland wider; Einrichtungen, die auf einer einzigen Kultur beharren, bleiben hinter der Wirklichkeit zurück“, meint auch derArbeitskreis Neue Erziehung e. V. (ANE), Herausgeber der Elternbriefe. Dieser hat sich zusammen mit dem Schriftsteller und Kinderbuchautor Kemal Kurt Canan, Oktay und Hülya erdacht, um für junge in Deutschland lebende türkische Familien Konflikte und Anforderungen zu thematisieren: zur frühkindlichen Erziehung, zur Zweisprachigkeit und zum Leben in zwei Kulturen.

Das Forum dafür sind die türkisch-deutschen Elternbriefe, die nach Berlin in diesem Jahr erstmals auch in anderen bundesdeutschen Städten erscheinen. Sie bieten praktische Ratschläge und Anregungen, die allgemeine und migrationsbedingte Erziehungsanforderungen betreffen.Vorbild sind die deutschen Elternbriefe, die seit 25 Jahren von ANE und dem Bundesfamilienministerium herausgegeben werden.

Die türkisch-deutschen Elternbriefe werden in Berlin, Gelsenkirchen, Hamburg, Hannover und Stuttgart an türkischstämmige Eltern verschickt, die Kinder bis zu einem Alter von sechs Jahren haben. 50 000 Haushalte will ANE beliefern. Die Briefe sind der wichtigste Baustein des Projekts „Interkulturelle Elternarbeit“ und werden im Dialog mit Eltern und in Zusammenarbeit mit türkischen und deutschen Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis erarbeitet. Ergänzend dazu wurde ein praxisbegleitendes Fortbildungsangebot in Kindertageseinrichtungen entwickelt, das auf die Erweiterung der interkulturellen Kompetenz von ErzieherInnen abzielt.

Gundel Hessemer, Geschäftsführerin von ANE sagt: „Die Anforderungen an Familien türkischer Herkunft sind hoch. Dies gilt auch für die Erziehung der Kinder.“ Das Projekt Interkulturelle Elternarbeit will Wege der Konfliktbewältigung eröffnen und zwischen den Erziehungsvorstellungen der Generationen vermitteln. „Dabei“, betont Hessemer, „versuchen wir ganz bewusst Chancen und Möglichkeiten aufzuzeigen, die sich aus dem Aufwachsen mit zwei Sprachen und in zwei Kulturen ergeben.“ Die türkisch-deutschen Elternbriefe sind zweisprachig verfasst. Nach dem Thema Kindertagesstätte sollen die Schwerpunkte Grenzen setzen, Zweisprachigkeit und Geschwisterbeziehungen behandelt werden.

Anlässlich der Präsentation des ersten überregionalen türkisch-deutschen Elternbriefes riefen ANE, das Bundesfamilienministerium und die niederländische Bernard van Leer Foundation Den Haag (BvL) zu einer Pressekonferenz in Berlin. Das Ministerium fördert die Realisierung und bundesweite Verbreitung der türkisch-deutschen Elternbriefe mit 142 000 Mark; die BvL fördert neben dem Projekt von ANE in 11 weiteren Ländern Europas 45 Projekte, mit denen insbesondere Migrantenfamilien unterstützt werden. Die Ländergrenzen überschreitende Verzahnung von Projektansätzen ist die Leitlinie der Stiftungarbeit. Dabei versteht sich die Foundation als eine Art Coach, der die Projektentwicklung steuert, indem er Zielvorgaben gibt, dabei aber nicht unmittelbar in den Ablauf des Projekts eingreift. Arbeitskreis Neue Erziehung e. V., Boppstraße 10, 10967 Berlin, Tel. 0 30-25 90 06-50 www. Arbeitskreis-Neue-Erziehung.de