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Deutscher Kurswechsel gegenüber Jakarta?

In Indonesien hat die Bundesregierung jahrelang die Präsidenten Suharto und Habibie unterstützt. Experten fordern eine längst überfällige Kurskorrektur. Jetzt sondiert Ludger Volmer die Lage  ■   Aus Jakarta Sven Hansen

Was haben wir hier falsch gemacht?“ Mit dieser Frage eröffnete Ludger Volmer, bündnisgrüner Staatsminister im Auswärtigen Amt, am vergangenen Feitag ein Treffen mit Vertretern deutscher Parteistiftungen in Jakarta, bei dem es um die Überprüfung der Politik gegenüber Indonesien und Osttimor ging. Volmer reist zur Zeit aus Anlass der Gewalt in der früheren portugiesischen Kolonie zu Konsultationen durch südostasiatische Hauptstädte.

Experten in Jakarta verlangen eine Kurskorrektur der bundesdeutschen Indonesien-Politik. „Die deutsche Politik hat sich nicht an den politischen Wandel in Indonesien angepasst,“ sagt der indonesische Soziologe Kastorius Sinaga, der in Bielefeld promovierte und zwischenzeitlich für die Konrad-Adenauer-Stiftung in Jakarta arbeitete. Deutschland verhalte sich seit dem Rücktritt Suhartos im Mai 1998 passiv, statt sich in den Reformprozess einzubringen.

Nach Meinung des Leiters des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Jakarta, Hilmar Ruminski, hat sich die Politik gegenüber Indonesien nach dem Bonner Regierungswechsel vor einem Jahr kaum geändert: „Deutschland hat sich in Sachen Osttimor hinter Portugal versteckt und seit Juli hinter Finnland. Die Bundesregierung hat die ganze Zeit keinen Druck auf Jakarta ausgeübt.“

Volmer weist den Vorwurf zurück und verweist darauf, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder auf dem Höhepunkt der Gewalt in Osttimor mit Indonesiens Präsident B. J. Habibie und Außenminister Joschka Fischer mit seinem Amtskollegen Ali Alatas telefoniert habe, während er selbst über die Medien Signale ausgesendet haben will. Man wollte Indonesiens Führung zur Zustimmung einer multinationalen Osttimor-Schutztruppe bewegen, was auch gelungen sei. „Dabei konnten Indonesiens Verantwortliche ihr Gesicht wahren, was hier sehr wichtig ist“, so Volmer.

In Jakarta sei die Meinung seiner deutschen Gesprächspartner geteilt. Die einen verlangten zur Unterstützung der Reformkräfte mehr Druck auf die Regierung, andere hielten das für kontraproduktiv. Deutschlands Beziehungen mit dem größten muslimischen und viertbevölkerungsreichsten Land der Welt seien „traditionell sehr gut“. Ziel der Indonesien-Politik ist laut Volmer die Unterstützung von Demokratisierung und Modernisierung, Menschenrechten und Stabilität.

Von der rot-grünen Regierung kam Volmer als bisher ranghöchster Vertreter des Auswärtigen Amtes nach Jakarta. Als einziger Minister war im Frühjahr der parteilose Werner Müller hier, um die Industriemesse Technogerma zu eröffnen. Deutschland ist Indonesiens größter Handelspartner in Europa, umgekehrt ist der Archipel der größte deutsche Partner in Südostasien. Der frühere Kanzler Helmut Kohl besuchte mehrfach Indonesien. Sein Schmusekurs gegenüber Suharto gipfelte darin, den Diktator als „Freund“ zu bezeichnen und mit ihm kurz nach den regimekritischen Unruhen angeln zu gehen.

Präsident Habibie, der in Deutschland studierte und arbeitete, gilt als „deutscher Anker in Indonesien“, so Fritz Kleinsteuber von der deutsch-indonesischen Handelskammer. Der Präsident und frühere Minister ist bei deutschen Politikern und Geschäftsleuten äußerst beliebt. In Indonesien ist er jedoch unpopulär wegen seiner Nähe zu Suharto, fortgesetzter Korruption und Menschenrechtsverletzungen sowie seiner gescheiterten Osttimor-Politik.

Gegenwärtig debattiert die Beratende Volksversammlung Habibies Rechenschaftsbericht. Sollte sie ihn am Mittwoch nicht im Amt bestätigen, sondern Megawati Sukarnoputri oder Abdurrahman Wahid zum Staatsoberhaupt wählen, steht die deutsche Politik vor einem Scherbenhaufen.

„Die Deutschen haben alle Eier in ein Nest gelegt“, sagt Kleinsteuber in Anspielung auf Habibie. „Deutschland war für viele Indonesier die Domäne Habibies. Alle deutschen Besucher sind erst zu Habibie gelaufen, bevor sie zu ihren Amtskollegen gingen.“ Ruminski von der Friedrich-Ebert-Stiftung klagt: „Die Deutsche Botschaft in Jakarta hat bis in die Endphase auf Suharto gesetzt und danach auf Habibie und sah keinen Grund, Kontakt mit der Opposition aufzunehmen.“ Der Botschafter gilt als enger Freund Habibies.

Monika Schlicher von der Berliner Menschenrechtsorganisation „Watch Indonesia“ fordert angesichts der Ereignisse in Osttimor eine Wende der Indonesien-Politik. „Die Bundesregierung muss sich deutlich für die Bestrafung der Täter durch ein Kriegsverbrechertibunal einsetzen und dem Einsatz der Interfet-Truppe mit weiterem Druck auf Jakarta zum Erfolg verhelfen.“ Schlicher hält das viermonatige EU-Waffenembargo für unzureichend und fordert von der Bundesregierung eine öffentliche Erklärung, es solange zu verlängern, bis die schuldigen Militärs verurteilt sind.

Wie schwer ein deutscher Neuanfang in Indonesien werden könnte, bekam Volmer in Jakarta zu spüren. Megawati Sukarnoputri und Abdurrahman Wahid zeigten ihm die kalte Schulter.

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