: Kommentar
■ Überfällig SPD und Grüne tasten sich vorsichtig an die PDS heran
In Prenzlauer Berg oder Friedrichshain trifft man allenthalben auf Liebhaber des Stimmensplittings: Erststimme PDS, Zweitstimme Grüne. Oder umgekehrt. Für diese Wählerschicht sind beide Parteien längst kompatibel.
Nur bei den Parteien ist diese Botschaft auch neun Jahre nach der Wiedervereinigung nicht angekommen. Kaum dass etwa Franz Schulz, grüner Bürgermeister von Kreuzberg, die PDS als künftigen Partner bezeichnet, regt sich parteiinterner Widerstand. Und bei der SPD heißt es unisono: kein Thema. Eine Zusammenarbeit auf Regierungsebene bleibt ausgeschlossen.
Doch wer wie SPD-Fraktionschef Klaus Böger ungebrochen auf eine rot-grüne Mehrheit spekuliert, darf unbenommen als Utopist bezeichnet werden. Zur Dauerkoalition von CDU und SPD gibt es nur eine Alternative: die Kooperation mit der PDS.
Natürlich kann man den Demokratischen Sozialisten vorwerfen, sie würden mit ihrem Ostpopulismus die Teilung der Stadt vertiefen. Aber da sind die Demokratischen Christen keinen Deut besser. Nur eben mit Schwerpunkt auf Westberlin. Wahlversprechen sind schließlich dazu da, dass sie gebrochen werden. Schon weil sie „unter Finanzierungsvorbehalt stehen“, wie das Politiker gleich welcher Partei nennen.
Dennoch pocht die SPD mit Hinweis auf die Volksfront-Propaganda der CDU weiter darauf, dass eine Kooperation mit der PDS dem Wähler nicht zu vermitteln sei. Und die Grünen verstecken sich hinter der SPD. Weil die nicht will, können wir auch nicht wollen. So umgeht man das heiße Eisen.
Wenn die Grünen nun ihr Verhältnis zu allen Parteien neu definieren wollen – und damit auch zur PDS – und die SPD ganz vorsichtig ein Ende der „ideologischen Tabuisierung der PDS“ diskutiert, so sind das kleine Schritte in die richtige Richtung. Sie sind aber nicht mutig, sondern schlicht überfällig. Denn wäre die PDS-Debatte bereits offensiv geführt worden, hätte das auf Landesebene den Gang zumindest in eine Drei-Parteien-Opposition erleichtert. Und auf Bezirksebene nahe liegende Koalitionen ermöglicht. Eine Mehrheit links von der CDU gibt es schon lange. Man muss sie nur wollen. Gereon Asmuth
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