92 Festnahmen nach Demo in Minsk

■ Bei einer Straßenschlacht zwischen Demonstranten und Polizei werden in Weißrusslands Hauptstadt zahlreiche Menschen verletzt

Minsk/Moskau (AFP/taz) – Die Schergen des weißrussischen Staatspräsidenten Alexander Lukaschenko haben wieder zugeschlagen: Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizeikräften in der Haupstadt Minsk wurden am Sonntagabend 92 Menschen festgenommen. Der stellvertretende Chef des weißrussischen Sicherheitsdienstes gab gestern im staatlichen Fernsehen bekannt, dass 53 Polizisten verletzt wurden, acht von ihnen schwer. Der Rundfunksender Moskauer Echo berichtete von zahlreichen Verletzten unter den Demonstranten.

Auch der Vorsitzende der weißrussischen Sozialdemokraten, Nikolai Statkewisch, sowie zwei Abgeordnete seien festgenommen worden. Soldaten seien am Sonntag in das Hauptquartier der Sozialdemokratischen Partei in Minsk eingedrungen, hätten Statkewisch geprügelt und mitgenommen.

Die Abgeordnete des aufgelösten Parlaments, Ljudmila Grijasnowa, sei aus ihrem Haus weggebracht worden. Außerdem sei die russische Abgeordnete der liberalen Partei Jabloko, Olga Beklemischewa, die auf Einladung der Politiker an dem Marsch teilgenommen hatte, festgenommen worden. Ihnen werde die Organisation von Aufruhr zur Last gelegt.

Rund 20.000 Menschen hatten sich am Sonntag an der zunächst friedlichen und genehmigten Kundgebung beteiligt. Als sich 5.000 Demonstranten von der Gruppe trennten und auf das abgesperrte Präsidialamt zumarschierten, schritt die Polizei ein. Die Aktion richtete sich insbesondere gegen Lukaschenkos Pläne für einen Staatenbund mit Russland sowie gegen das „spurlose Verschwinden“ dreier Oppositioneller in den vergangenen Monaten.

Unterdessen treibt die sich zuspitzende Situation immer seltsamere Blüten des Protestes. So berichtete die russische Tageszeitung Moskowski Komsomoljez von einem Vorstoß ganz besonderer Art. Die Mitarbeiter des städtischen Bauunternehmens Nr. 12 der Stadt Mogilow hätten sich an das Oberhaupt der weißrussisch-orthodoxen Kirche mit der Bitte gewandt, Staatspräsident Alexander Lukaschenko heilig zu sprechen. Zur Begründung heißt es, dass in ganz Weißrussland „nur ein einziger sündenfreier und würdiger Mensch übrig geblieben sei, nämlich der Bürger Lukaschenko“. bo

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