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Um Präsident Habibie wird es leer

Einen Tag vor den Präsidentschaftswahlen in Indonesien geht General Wiranto auf Distanz zum Staatschef. Der muss Enthüllungen in einem neuen Banken- und Korruptionsskandal befürchten  ■   Aus Jakarta Jutta Lietsch

Einsam, zusammengesunken, krampfhaft ein paar Notizen umklammernd, hockte Indonesiens Präsident B. J. Habibie gestern in seinem viel zu großen Ledersessel auf dem Podium des Parlamentsgebäudes in Jakarta. Wie er da saß, bot er das Bild eines Menschen, der einen würdigen Abgang von der politischen Bühne längst verpasst hatte. Hinter ihm blickten zwei Militäradjutanten wie versteinert in die überwiegend feindselige Runde der 700 Abgeordneten der „Beratenden Volksversammlung.“

Während am Tag vor den Präsidentschaftswahlen auf den Straßen Jakartas Gegner und Anhänger der Regierung demonstrierten, entschied sich in den Sälen und Hinterzimmern das politische Schicksal des 63-jährigen Habibie. Zunächst sollte die Volksversammlung am Dienstag über seinen stark kritisierten Rechenschaftsbericht über seine 17-monatige Amtszeit abstimmen. Für den Fall, dass die Delegierten sich weigerten, ihn zu entlasten, hatte Habibies Golkar-Partei bereits damit gedroht, ihren Kandidaten in letzter Minute noch auszuwechseln.

Im jungen demokratischen System Indonesiens müssen die meisten Regeln ganz neu gefunden werden: So können die Fraktionen nach den gestern beschlossenen Vorschriften bis zwölf Stunden vor der Wahl noch neue Bewerber nominieren.

Bereits am Montag abend hatten die Hoffnungen Habibies, mit Hilfe der Militärfraktion im Parlament wieder gewählt zu werden, einen schweren Dämpfer erhalten: Da trat Armeechef Wiranto vor die Fernsehkameras und teilte der erstaunten Öffentlichkeit mit, er wolle „nicht in den Kampf um die Präsidentschaft oder Vizepräsidentschaft eintreten“. Wiranto distanzierte sich von dem Präsidenten, dem er in den vergangenen 17 Monaten loyal gedient hatte. Damit bestätigte sich, was die Spatzen in Jakarta bereits von den Dächern pfiffen: Habibie ist im Militär inzwischen so unbeliebt, dass Wiranto es sich nicht mehr leisten kann, ihn zu unterstützen, wenn er nicht seine eigene Karriere aufs Spiel setzen will. Besonders verhasst machte der Präsident sich mit der Entscheidung, Osttimor die Unabhängigkeit zu gewähren. Damit habe er, so der Vorwurf vieler Offiziere und Soldaten, die Armee verraten und die Einheit des Landes aufs Spiel gesetzt.

Bis zuletzt hatte Habibie die 700 Abgeordneten der Volksversammlung bekniet, das Resultat des UNO-Referendums anzuerkennen, bei dem sich 78 Prozent der Osttimoresen Ende August gegen Jakarta entschieden.

Wenigstens dabei hatte er wohl Erfolg: Nach heftigen Debatten beschlossen die elf Fraktionen der Versammlung einen Gesetzesentwurf, der die Trennung von Indonesiens 1976 annektierter „27. Provinz“ absegnen soll. Dieses Gesetz sollte noch am Dienstagabend verabschiedet werden – und damit den Weg für die Unabhängigkeit Osttimors frei machen.

Doch darüber konnte sich Habibie nur kurz freuen. Stattdessen musste er eine neue Hiobsbotschaft verdauen: Dem Präsidenten drohen peinliche Enthüllungen über korrupte Verwicklungen in einen Bankenskandal.

Denn der Oberste Gerichtshof Indonesiens entschied gestern morgen, dass die Regierung dem Parlament die ungekürzte Version eines Berichtes der unabhängigen Firma PricewaterhouseCooper über die „Bank-Bali-Affaire“ aushändigen muss. Darin, so wird vermutet, tauchen die Namen enger politischer Vertrauter Habibies – und vielleicht sogar sein eigener – auf. Die Opposition hat ihnen Vorgeworfen, illegal rund 70 Millionen US-Dollar von der Bank Bali kassiert zu haben – als illegale „Vermittlungsgebühr“ für staatliche Unterstützungsgelder. Diese Summe soll in die Wiederwahlkasse Habibies geflossen sein.

Während die Stimmung im Lager Habibies auf den Nullpunkt sank, stieg die Stimmung bei seiner stärksten Rivalin, Megawati Sukarnoputri, der Tochter des Staatsgründers Sukarno und Chefin der „Demokratischen Partei Indonesiens – Kampf“. „Wir haben schon gewonnen!“, jubelte gestern der Demokraten-Abgeordnete Saul de Ornay. Für ihn war klar, wie die künftige Regierung aussehen würde: eine Koalition zwischen den Demokraten und Abtrünnigen der regierenden Golkar.

Doch so sicher wie der Parlamentsneuling waren nur wenige: Niemand konnte schätzen, wie viele Stimmen der dritte Bewerber um die Präsidentschaft auf sich ziehen würde: Abdurrahman Wahid, ein prominenter wie unberechenbarer Muslimpolitiker, der fast blind und sehr krank ist.

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