Abschied vom Schwarzwaldmädel

■ Baden-Württemberg will sein Image verändern – und beauftragt damit eine Berliner Agentur

Berlin (taz) – Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg joggt um den Bodensee. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg winkt vom Freiburger Münster. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg picknickt am Rhein. Werden Bilder wie diese demnächst das Fernsehpublikum beglücken?

Ende Oktober startet Baden-Württemberg seine bislang größte Imagekampagne – die erste in der Geschichte der Bundesrepublik, die mit Fernsehspots für ein Land werben wird. Doch diese Spots, das verspricht Tübingens Oberbürgermeisterin Brigitte Russ-Scherer, sollen niemanden langweilen – im Gegenteil. Baden-Württemberg probt den Imagewechsel. Das süddeutsche „Ländle“ will Abschied nehmen von Geranien und Bollenhut, von Giebelhäuschenmief und Schwarzwaldmädelnostalgie.

Als Vorbild für die erfolgreiche Moderinisierung des Landesimages führt Russ-Scherer die Bayern an. Mit „Laptop und Lederhose“ und ähnlichen Slogans fusionierten dort, zumindest verbal, Fortschritt und Tradition. Genau das wolle Baden-Württemberg jetzt auch versuchen. „Tübingen beispielsweise“, sagt die innovationsfreudige Oberbürgermeisterin, „hat ein typisch süddeutsches Postkartenimage. Man denkt an hübsche Gassen und an Fachwerkhäuser, aber nur wenige wissen von den jungen Unternehmen und dem vielseitigen Wissenschaftsbetrieb in dieser Stadt.“

Um endlich „up to date“ zu sein, hat CDU-Staatsminister Christoph Palmer die vernächlässigte Public Relations seines Landes in die Hände von Profis gelegt. 37,5 Millionen Mark ließ er sich bewilligen, damit eine renommierte Werbeagentur in den nächsten Jahren die Standortwerbung betreiben kann, „die Baden-Württembergs hohem Standard im Ländervergleich gerecht wird“.

Palmers großzügiger Griff in die Landeskasse stieß im Landtag auf wenig Verständnis. Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Herbert Moser, sprach den Steuerzahlern sein Mitleid aus – sie komme das schlechte Image von Ministerpräsident Erwin Teufel jetzt teuer zu stehen. Werbung allein, so Moser, helfe dem Land wenig, er empfehle „bessere Leistungen“.

Um die Vorwürfe zu entkräften, ging der Staatsminister strategisch vor: Sieben Sachverständige jeglicher parteipolitischer Couleur, darunter Prominente wie der Soziologe Ralf Dahrendorf, ließ er über die vier besten von insgesamt 39 Entwürfen entscheiden. Die Berliner Agentur Scholz & Friends bekam den Zuschlag, die Entscheidung der Jury fiel einstimmig. „Seitdem“, sagt Palmer, „herrscht Ruhe im Landtag.“

Dafür hat der Staatsminister jetzt an anderer Stelle Ärger. Die heimischen Bewerber um die prestigeträchtige Kampagne fühlen sich ausgebootet. Holger Bungert von der Agentur Die Crew in Stuttgart kritisiert, dass er und seine Landsleute zu schnell ausgesiebt wurden. Die meisten seien schon aus der Vorrunde geflogen. Konfrontiert mit der Enttäuschung ihrer Sprösslinge zeigt Mutter Landesregierung kein Mitleid. „Eine Kampagne, die weltweit geschaltet wird, muss gut sein“, sagt Palmer. Und gut waren eben die Berliner. Die Werbespots, tröstet er, würden in Zusammenarbeit mit der Filmakademie Ludwigsburg, also mit heimischer Unterstützung, produziert. Einzelheiten der Kampagne werden erst Ende Oktober bekannt gegeben.

Dass das Musterländle Baden-Württemberg plötzlich sein fremdenverkehrstaugliches Image umkrempelt, hat nicht nur Prestigegründe. Der Landeshauptstadt zum Beispiel laufen tatsächlich die Zugpferde weg. DaimlerChrysler, das Vorzeigeunternehmen der Region, bleibt zwar in Stuttgart, will seine Hauptversammlung im Jahr 2000 aber erstmals nach Berlin verlegen. Schon wieder Berlin! „Der Wettbewerb der Standorte“, sagt Russ-Scherer, „ist heute einfach eine Realität.“

Michaela Kirschner