: Eine Bar ist eine Bar ist eine Bar
An den Berliner Künstler Fred Rubin verhökerte der Bund die Bar aus dem Palast der Republik. Doch das Relikt eignete sich nicht als Kunst ■ Von Kerstin Kohlenberg
Er wollte wirklich nur die Bar. Wer will sich auch schon freiwillig die ganze DDR ans Bein binden? Und das mit Ende zwanzig, wenn man noch gucken will, was im Leben so geht. In der Bar ging auf jeden Fall nichts mehr. Ganz einfach, weil keiner mehr hinging. Das Viertel war tot und die Bewohner des Palastes, in dem die Bar stand, hatten kollektiv vor einigen Monaten ihre Sachen gepackt. Aber er hatte sie sich eben in den Kopf gesetzt. Der Fred Rubin. Die Bar. Im dritten Stock des Palastes der Republik stand sie, kreisrund, 16 Meter Umfang.
Nach knapper, brieflicher Anfrage konnte Rubin die Bar in Waigels Namen mitnehmen. Damit waren die ersten Teile der Altlast Palast der Republik getilgt und Rubin ihr neuer Besitzer. Die Bundesregierung vergaß jedoch nicht Herrn Rubin darauf hinzuweisen, dass im Falle des Nichtfunktionierens der Bar oder eines ihrer Elemente kein Rückgaberecht bestehe.
Eine Schnapsidee ist diese Bar nie gewesen. Der Bildhauer und Künstler Fred Rubin war an der Bar als Objekt für sein Projekt, das er „Rotations-Recycling“ nennt, interessiert: Er löst Gegenstände des Alltags aus ihrem Zusammenhang, verändert sie und stellt sie in einen neuen, künstlerischen Kontext. „Ich sehe was in einem Material steckt und erkenne, dass es eine neue Zukunft hat.“ Rubin reißt die Arme in die Höhe, wie ein Dompteur, der seinen Zuhörern gebietet Platz zu nehmen. „Ich will der Schönheit der Dinge Respekt zollen und die Menschen, die meine Installationen sehen dazu animieren, das Gleiche zu tun.“
Rubins eigene künstlerische Zukunft begann irgendwo zwischen Heidelberg und Paris. 1989 ging er nach Paris und kam dort in den Besitz der letzten Farbreste Ultramarinblau, die der französische Künstler Yves Klein für seine monochromen Bilder benutzt hat, bevor er 1962 starb. „Zufall“, kommentiert Rubin seinen ersten Fund lakonisch. Die Bilder, die er mit diesem Blau fertigte, fanden in Paris reißenden Absatz. Trotzdem lehnte ihn die Hochschule der Künste in Berlin wegen „fehlenden Talents“ ab. Die Professoren der École National Supérieure des Beaux-Arts in Paris sahen das anders und so begann Rubin 1990 mit dem Studium der Kunst in Paris. 1994 war es dann Zeit für einen Ortswechsel. Die Wahl fiel auf Berlin. Den Feuereifer, den Rubin dann in Berlin, rund um die Bar des „Palastes der Republik“, an den Tag legte, brachte die damalige Bundesregierung auf eine Idee: Wenn Rubin so scharf auf die Bar ist, vielleicht ist er dann auch an den Arbeitszimmern von Erich Honecker und Egon Krenz interessiert? Oder an den Lampen, Sesseln, Stühlen und Wandverkleidungen aus dem Palast der Republik, Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und Zentralkomitee? Warum sollte man auch den ganzen Ostkrempel teuer entsorgen, wenn ihn jemand umsonst und liebend gerne nimmt? Seitdem sammelt Rubin DDR-Relikte wie Briefmarken.
Ein reicher Texaner ist so fasziniert von Rubins DDR-Fundus, dass er ihm ein Angebot machte, mit dem Rubin in ein finanziell sorgenfreies Leben hätte starten können. Aber Rubin lehnte ab. „Nicht das Finden eines Schatzes, sondern das, was man aus seinem Schatz macht, das ist die eigentliche, meine Kunst.“
Und trotzdem will Rubins Schatz nicht richtig glitzern. Zu sehr sind die Gegenstände noch mit ihrer Geschichte, mit Stasistaub und Parteiasche bedeckt. Obwohl Rubin von sich behauptet, er sei völlig unpolitisch und frei nach Gertrude Stein darauf hinweist, „eine Bar ist eine Bar ist eine Bar“, erzeugt er mit seiner Installation von DDR-Relikten im öffentlichen Raum unweigerlich politische Reaktionen. Objekte mit Geschichte werden zu Symbolen einer Geschichte, für deren Abschaffung viele Menschen auf die Straße gegangen sind. Unerwünschte Spurensuche für die Betrachter.
Die Palast-Bar funktionierte nach ihrem Ausbau rein technisch gesehen tipptopp. Im Rubinschen Sinne wurde sie jedoch zum Flop. Sein „Palastbartransfer“, der 1995 im Rahmen der Ausstellung „Renaissance einer Metropole“ in Paris gezeigt werden sollte, scheiterte eben an jener Verzahnung von Objekt und Symbol. „Die Aussteller bekamen in letzter Sekunde Angst, meine Installation könne als eine Art Siegerjustiz verstanden werden, als wolle ich die Ostdeutschen bewusst vorführen.“ Die Bar war mit einem rotierenden Sockel versehen worden und sollte sich, auf dem „Grande Arche de la Défense“ montiert, um die eigene Achse drehen. Bis jetzt sieht Rubin solche Bruchlandungen noch gelassen. „Im öffentlichen Raum DDR-Relikte einzubauen, ist ein Novum und mit etwas Neuem ist immer ein Risiko verbunden. Die Schuldigkeit von Stasi und Co. wird über das Material abgehandelt, und so entziehen sich die Leute einer Diskussion.“ Im Kontext von Pop- und Jugendkultur ist das Risiko für Rubin und seine Kunst dagegen minimal. Die Bosse von MTV, für die Rubin 1997 das erste deutsche Studio ausstattete, schluckten zwar erst einmal heftig, als sie die fertige Studiodeko, aus Schrankwand und Egon-Krenz-Arbeitszimmer sahen. Aber die Wessis stehen nun mal auf Ost-Retro und schnell war die Sendung eine der erfolgreichsten auf MTV. Sobald er sich jedoch wieder in staatlich geförderten, öffentlichen Räumen bewegt, gibt es Probleme. Auf seine Einladung zur Berlin Biennale reagierte er mit dem Projekt „Raumteiler ZK#20“. Die von ihm ausgebauten 20 Falttüren des Zentralkomitees sollten jeweils eine Aluminium-Transportkiste erhalten um so, als beweglicher Raumteiler von insgesamt 50 Meter Länge, eine bestehende Ordnung verändern zu können. Als Zielort war der Ursprungsort, die große, völlig entkernte Halle des zukünftigen Auswärtigen Amtes geplant. Dem Kurator der Berlin Biennale Biesenbach war das nicht geheuer und er vereitelte das Projekt durch Aussitzen einer Entscheidung. Das Scheitern in letzter Sekunde schien die politische Seite von Rubins Kunst geworden zu sein. „Ich musste feststellen, dass ich den Berg zwar besitzen kann, ihn aber offensichtlich nicht versetzen darf.“ Seine Projekte verursachen Rubin hohe Kosten, verlangen ihm viel Wagemut und einen unverrückbaren Glauben an sich und die Sache ab. Im Moment konzipiert er die Lichtgestaltung des Foyers der Philharmonie in Potsdam. Mit DDR-Lampen. „Na klar könnte ich meine Objekte in Toronto oder Singapur einbauen oder ausstellen. Aber dort gehören sie nicht hin. Sie gehören nach Deutschland, nach Berlin, wo sie eine konstruktive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit erzeugen können.“
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