■ Kommentar: Populismus als Konzept Die CDU hat viele Ideen und keinen Plan
Ja, wohin laufen sie denn, die Christdemokraten? Generalsekretärin Angela Merkel stürmt auf die PDS zu, um sie argumentativ zu umarmen, ihr Vorsitzender Wolfgang Schäuble will die Wirtschaft ankurbeln, indem der Staat sich verschuldet – und Sachsens „König“ Kurt Biedenkopf schwingt sich plötzlich zum Streiter für die Rentenreform der Regierung auf. Nur: Das war Dienstag!
Am Mittwoch hießen die Parolen: Rote Socken bleiben rote Socken, selbst wenn sie in den letzten zehn Jahren mal gewaschen wurden – man will aber erklären, aus welchem Stoff ihre Erfolge gestrickt waren: aus sozialem Populismus. Das ist der CDU ja völlig fremd. Schäuble will nun doch bei den Staatsausgaben sparen, und zwar beim Arbeitslosengeld. Und bei der Rente hält es Biedenkopf mit Konrad Adenauer: Was interessiert mich der Blödsinn, den ich gestern erzählt habe. Er kann sich gar nicht mehr erinnern, dass er das rot-grüne Reformpaket im Bundesrat passieren lassen wollte.
Die CDU startet so richtig durch – in alle Richtungen. Und das Schöne am Oppositionsleben ist, dass man nie beweisen muss, welches Konzept eigentlich taugen würde. Die Medien reagieren wie gewünscht: Sie berichten pflichtschuldig von den verschiedenen Vorschlägen, kritisieren gelegentlich, dass sie nicht besser seien als die der Regierung. Das wars.
Was dabei unter die Räder kommt: die Substanz der verschiedenen politischen Konzepte, etwa zur Reform der Rente. Unabhängig von den kurzfristigen Kürzungen steht schließlich das ganze Rentensystem zur Disposition: Die Menschen werden künftig länger leben und gesünder bleiben, aber gleichzeitig weniger regelmäßig und vor allem kürzer in die Rentenkasse einzahlen. An diesem gesellschaftlichen Strukturwandel – darin sind sich sogar alle einig – wird das bisherige Rentensystem zerbrechen. Klar ist: Sichere Renten zu erhalten ist ein zentrales politisches, soziales und ökonomisches Problem der Zukunft. Und die beginnt heute. Da demnächst keine Wahlen anstehen, schafft es womöglich sogar die CDU, ihr parteitaktisches Verwirrspiel abzubrechen und sich an einer vernünftigen Reform zu beteiligen. Gerade Kurt Biedenkopf hat dazu in den letzten 15 Jahren wiederholt Konzepte entworfen, Stichwort: soziale Grundsicherung. Vielleicht erinnert er sich ja dessen noch, bevor er auf Rente geht. Daniel Haufler
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