Das Gespenst ist endlich vertrieben

■  Alba Berlin gelingt gegen Europas Basketball-Champion Zalgiris Kaunas der erwartete erste Erfolg in dieser Europaliga-Saison. Doch die Litauer waren nur ein Schatten vergangener Tage und kein echter Test für das Spiel gegen Panathinaikos Athen

„Wenn man in der Basketball-Europaliga mitspielen will, muss es vor allem in der Defense stimmen.“

Kaum hatte Alba Berlin mit dem 80:64-Sieg gegen Zalgiris Kaunas im vierten Spiel den ersten Sieg in der Basketball-Europaliga gelandet, wurde Coach Svetislav Pesic schon übermütig. „Wir hoffen, dass Panathinaikos Athen am Wochenende in der griechischen Liga gewinnt“, sagte er, „damit wir es sind, die ihnen die erste Saison-Niederlage beibringen.“ Bei aller Anerkennung einer starken Leistung gegen die Litauer, vor allem in der Defensive, ist kaum zu erwarten, dass sich Panathinaikos, die „derzeit beste Mannschaft in Europa“ (Pesic), am kommenden Mittwoch in der Max-Schmeling-Halle so abfertigen lässt wie der amtierende Champion der Europaliga.

Zalgiris Kaunas ist allerdings nur noch ein Schatten jener Mannschaft, die im April beim Final-Four-Turnier in München mit furiosem Offensivbasketball den Favoriten Kinder Bologna überrannte und sensationell den Titel holte. Der Höhenflug weckte die Begehrlichkeiten der reichen europäischen Klubs, die mit Tyus Edney (Treviso), Anthony Bowie (AEK Athen) und Saulius Stombergas (Kinder Bologna) prompt den Kern des Meisterteams abwarben. „Wir haben niemanden verkauft“, sagte in Berlin missgelaunt der Klubmäzen Shabtai Kalmanowitsch, ein reicher Geschäftsmann und Musik-Impresario, „ihre Verträge sind ausgelaufen und sie gingen dahin, wo man ihnen mehr gab.“ Trainer Jonas Kazlauskas, dessen Team zuvor auch schon zwei Niederlagen kassiert, aber immerhin bei Real Madrid gewonnen hatte, sagte gar nichts. „So tragisch“ sei das Debakel gegen Alba gewesen, dass man es einfach nicht kommentieren könne.

Auch Svetislav Pesic gab zu, dass es der Gegner, dessen Spieler von 52 Würfen gerade mal 18 trafen, den Berlinern ziemlich leicht gemacht hätte. Die Schwäche von Zalgiris sei jedoch auch durch die Stärke von Alba zu Stande gekommen, eine Stärke, die eindeutig in der Abwehrarbeit lag. „Es ist eine alte Geschichte“, sagte der Berliner Coach, „wenn man in der Europaliga mitspielen will, gegen Mannschaften mit einer solchen Tradition wie Kaunas, muss es vor allem in der Defense stimmen.“

In diesem Bereich hatte Pesic die Ursachen für die bisherigen Niederlagen gegen Bursa, Ljubljana und Real Madrid gesehen, und in diesem Bereich sah er auch den Grund für den Sieg gegen Zalgiris Kaunas. Bei den Rebounds hielt Alba mit den mächtigen Centern Eurelius Zukauskas und George Zidek mit, stolze 18 Steals verunsicherten den Gegner und führten oft zu schnellen Konterpunkten, Spielmacher Corey Beck konnte nur selten zum Korb durchdringen. Entscheidend war jedoch, dass Henrik Rödl und Ademola Okulaja das starke Flügelduo der Litauer, Mindaugas Timinskas und Mindaugas Zukauskas, im Griff hatten. Lob vom Coach erhielten aber auch der noch grippegeschwächte Frankie King und Wendell Alexis, der die Offense mit 22 Punkten fast allein beherrschte. „Heute haben wir den alten Wendell gesehen, fast wie in seinen besten Tagen“, schwärmte Pesic.

Wenn es jedoch tatsächlich etwas werden soll mit dem angestrebten Sieg gegen Panathinaikos, müssen am nächsten Mittwoch auch andere Spieler als Wendell Alexis oder Henrik Rödl (15 Punkte) treffen. Vor allem Okulaja, der gänzlich ohne Korberfolg blieb, und Frankie King, der zwar elf Zähler zusammenbrachte, dafür aber 17 Feldwürfe benötigte und von den fast 6.000 Zuschauern, die trotz Hertha-Milan gekommen waren, ob der Fruchtlosigkeit seiner Bemühungen schwer bemitleidet wurde, sollten dringend ihre Treffsicherheit wiedergewinnen.

Svetislav Pesic ist indes überzeugt, dass Spieler, die „an sich arbeiten“ und sich vor allem in der Verteidigung Mühe geben, irgendwann auch treffen. „Die Mannschaft entwickelt sich“, freute sich der Alba-Trainer, „jeder hat für jeden gespielt.“ Am Wochenende gäbe es beim Bundesliga-Aufsteiger SV Lich die Gelegenheit, vor dem Athen-Spiel noch „etwas für das Selbstbewusstsein zu tun und auch Erfolgserlebnisse in der Offense“ zu sammeln. „Ich gehe davon aus, dass wir dort gewinnen“, meinte Pesic, was angesichts der bisherigen Dominanz der Berliner in der Bundesliga kaum zu bezweifeln ist.

Das Wichtigste ist, da sind sich alle einig, dass der hohe Sieg gegen Kaunas nicht nur eine gute Ausgangsposition im direkten Vergleich mit den Litauern geschaffen hat, sondern damit auch das „Gespenst vom letzten Jahr“ (Kapitän Rödl) gebannt ist. In der vorigen Saison verlor Alba die ersten sieben Spiele in der Europaliga und kam zu spät in Form, um noch das Achtelfinale erreichen zu können. Diesmal stellt sich die Alba-Zukunft um einiges rosiger dar. „Ich hoffe, dass es gegen Athen so weitergeht“, sagt Ademola Okulaja und fügt etwas sportartfremd hinzu: „Dann wird der Ball rollen.“ Matti Lieske