: Der Mythos „Jobkiller Umweltschutz“ hat ausgedient
■ Gewerkschaftsbund und Naturschutzring fordern gemeinsames „Bündnis für Arbeit und Umwelt“: Eine ökologisch ausgerichtete Politik könne bis zu 500.000 Stellen schaffen
Berlin (taz) – Während sich die IG Metall, Arbeitgeber und Bundesregierung noch streiten, ob denn jetzt die Rente ab 60 oder auch die Lohnpolitik ins Bündnis für Arbeit gehören, macht der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ein ganz neues Fass auf: Er will das Ziel der Klüngelrunde noch einmal konkretisiert wissen. „Bündnis für Arbeit – das reicht nicht“, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer gestern auf einer Tagung des Gewerkschaften-Dachverbandes, der angegliederten Hans-Böckler- sowie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung und des Deutschen Naturschutzringes (DNR). Die Bundesregierung müsse die angestrebte soziale und ökologische Erneuerung ernst nehmen. Will heißen: Das Bündnis kann nur dann ein rot-grünes Erfolgsmodell werden, wenn es ein Bündnis für Arbeit und Umwelt ist.
Nachhaltigkeit und Beschäftigung, Umweltschutz und Arbeitsplätze seien schließlich keine Gegensätze, so Putzhammer. Im Gegenteil: „Wir können mindestens 500.000 neue zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen.“ Dazu müsse die vielfach zitierte „ökologische Modernisierung“ allerdings stärker in praktische Regierungspolitik umgesetzt werden.
Auf allen Feldern des Umweltschutzes, vom Klimaschutz bis zur Abfall- und Kreislaufwirtschaft, vom Umweltordnungsrecht bis zur ökologischen Steuerreform, könne man mit rechtlichen oder ökonomischen Instrumenten gleichzeitig zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen und die Umwelt entlasten, erklärte auch der Geschäftsführer der Hans-Böckler-Stiftung, Nikolaus Simon. So könne durch Wärmedämmung von Dächern, Fenstern und Fassaden in öffentlichen Gebäuden dafür gesorgt werden, dass statt 910 Millionen Tonnen wie im Jahr 1996 künftig nur noch 810 Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid in die Atmosphäre steigen. Gleichzeitig würden die Aufträge einen Aufschwung beim Bau nach sich ziehen, so dass rund 80.000 neue Arbeitsplätze entstehen könnten. Allerdings sehe er wegen des anhaltenden Widerstandes der Industrie, die erst kürzlich noch einmal versucht hatte, den deutschen Beitrag am Klimaschutzabkommen von Kioto zu verringern, keine andere Möglichkeit, dorthin zu kommen, als die Wärmeschutzverordnung zu verschärfen. Auch eine Elektronikschrottverordnung, die die Industrie zur umweltgerechten Entsorgung und Verwertung verpflichten würde, biete Potential für weitere 43.000 Stellen.
Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) erklärte, er sehe die Forderung nach konkreten Maßnahmen nicht nur als Rüge, sondern auch als Signal in Richtung Wirtschaft. „Umweltschutz ist Langfristökonomie“, sagte er. Durch gezieltes Umweltmanagement könnten Unternehmen zwei bis fünf Prozent Kosten sparen. Für die gesamte deutsche Wirtschaft ergebe sich damit ein Sparpotenzial von 150 bis 200 Milliarden Mark. Beate Willms
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