: Hier wohnt der Chef von Deutschland
■ Berlin diskret: Patrik Prinz zu Schwarzenlohe über Kanzler-Baustellen, Haarspray, Gedichte und das Wetter der Hauptstadt
Berlin (taz) – Brrr. Eisiges Berlin. Mitten im Bausand unser Kanzler. Das lässt er sich nicht nehmen: Richtfest im neuen Kanzleramt. Aber Achtung – es steht erst der Rohbau! Einzug frühestens Ende 2000. Alles noch Baustelle. Bodyguards haften für ihren Bundeskanzler. Der Wind pfeift durch die Plastikplanen, der Schröder-Schopf sitzt wie aus Gussbeton – dieses Haarspray möchte man haben.
Riesig, riesig, riesig. 19.000 Quadratmeter. Mittendrin der Kanzlerwürfel, neun Stockwerke, 36 Meter – so hoch wie 12 Elefanten übereinander. Kein Wunder – von Kohl so bestellt. „Der Dicke“ hieß er in Bonn, im Wahlkampf plakatierte die CDU ihn als Elefanten. Wahl ging trotzdem futsch. Bald wohnt hier der neue Chef von Deutschland. Alles chic für Schröder: „Skylobby“, Garten-Loggien. Sogar die Beamten haben Wintergärten. Kosten schon jetzt über Plan: 465 Millionen – 65 zuviel!
Sonst: so viel Sonne, so viel Glück! Zimmermann Morawitz kommt mir entgegen, freut sich über tolles Wetter. Hat gerade vor dem Kanzler Richtspruch (Gedicht) aufgesagt: „Schaut nur, wie sich heut' alles freut! / Warum das? Ja, wir sind so weit!“ Schröder mit guter Laune, dann in der Limousine, Baustaub wirbelt. Langer Arbeitstag hat erst begonnen. Das war der schöne Teil. Jetzt muss er uns wieder regieren. Ärger über Grüne wg. Panzern wartet schon. Gesichtet wurden: Justizstaatssekretär Geiger (muss Umbau im eigenen Ministerium beaufsichtigen), Politpensionär und Architekt Peter Conradi (saß im Preisgericht fürs Kanzleramt, erzählt mir am Bistrotisch: „Das ist nicht so 'ne langweilige, doofe Bürokratenkiste!“).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen