: Querspalte
■ Hinterm Sturmgeschütz
Wenn Spiegel-Reporter von einem Militärdiktator ins Bein gebissen wurden, eine Tellermine verschluckt haben oder eine Stunde lang Ingo Dubinski zuschauen mussten, dann ist das eine „Hausmitteilung“ auf Seite 3. Sollen die Spiegel-Leser ruhig sehen, dass ihr Mehr an Wissen nicht für eine alte Smokie-Single zu haben war. Vor zwei Wochen hat Herausgeber Rudolf Augstein unseren Außenminister in einem irrlichternden, mäandernden, aber fulminanten Schriftsatz als „Charaktermaske“, „Verräter“, „Schuft“ bezeichnet – obwohl der inzwischen so beliebt ist wie Wolfgang Petry.
Chefredakteur Aust entsandte in der Woche darauf zwei Redakteure zu Fischer. Wegen Osttimor. Um schon mal vorzufühlen, ob wir Grosny in einer weiträumigen Zangenbewegung nehmen, und wohl auch, um klarzustellen, dass der alte Augstein manchmal so Sachen macht. „Kritische Bemerkungen zu möglichen Folgen seiner Politik mochte Fischer nicht so gern hören“, erbebt die aktuelle Hausmitteilung. „ ,In welcher Welt leben Sie denn?‘ fuhr er Lerch und Hogrefe mehrfach barsch an und beschied sie bisweilen recht kurz: ,Alles Quatsch‘ “ Dürfen sich Journalisten so weit vorwagen, selbst wenn es im Dienst der Wahrheit geschieht? Fischer beschied sie. Da zuckt man zusammen. Viele wären rausgerannt und hätten geweint. „Das Treffen endete nach drei Stunden – um 1.30 Uhr früh – und friedlich.“ Bisweilen recht kurz, mitten in der Nacht und friedlich. Die Kämpfe der Klitschkos enden auch so. Am Montag hat Augstein skrupellos nachgelegt: „Hasardeur“, „zum Bellizisten degeneriert“ und so weiter. Das heißt, zum nächsten Spiegel-Gespräch könnte Fischer Frau Madeleine hinzubitten und die Faust heben: „Selber Schuft, Sie Lurch!“ Wir werden es erfahren. Ich würde einen Volontär hinschicken. André Mielke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen