: Bildung und Börse: Paar ohne Zukunft
■ Die Idee, Unis an die Börse zu schicken, findet in Hamburg kaum Zustimmung
Hochschulen an die Börse: Was Peter Glotz, ehemaliger SPD-Bildungspolitiker und jetzt Präsident der Universität Erfurt fordert, findet in Hamburg wenig Begeisterung. Professor Christian Nedeß, Präsident der Technischen Universität Harburg, sagt: „Privatisierung sollte grundsätzlich kein Tabu sein. Ob dabei gleich an die Börseneinführung zu denken ist, sollte man genauer hinterfragen. Wenn dies aber als letzte Maßnahme des Staates verstanden wird, den Haushalt zu sanieren, stehen wir vor dem Bankrott des deutschen Bildungssystems.“
Glotz hatte vorgeschlagen, leistungsstarke Universitäten zu privatisieren. Er glaubt, dass durch Studiengebühren, Sponsoreneinnahmen und Forschungsarbeiten für die Wirtschaft so viel zu verdienen sei, dass diese Hochschulen bald ohne Steuergelder auskämen.
Dr. Jörg Lippert, Pressesprecher der Universität Hamburg, reagiert zurückhaltend: „Unser eigentliches Produkt, nämlich der Geist in klugen Köpfen, ist mit Geld nicht zu fassen.“ Zwar nehme die Universität beispielsweise durch Weiterbildung schon jetzt Geld ein, „aber für eine so weitgehende Idee müssten die Voraussetzungen komplett geändert werden“. Beispielsweise müssten die Hochschulen auch Eigentümer ihrer Häuser und Grundstücke werden.
Für Karin Pretzel, Sprecherin der Hochschule für Bildende Künste in der Hansestadt, ist Glotz' Idee eine „bildungspolitische Bankrotterklärung“. Hochschulen an die Börse zu schicken, heiße „einmal mehr, sich eines gesellschaftlichen Auftrags zu entledigen“. Natürlich hätten die Hochschulen etwas zu bieten, „aber es lohnt sich, die Kriterien für unser Bildungsgut anders festzulegen als mit den Gesetzen der Börse“.
Auch Dr. Dorothee Bittscheidt, Präsidentin der Hochschule für Wirtschaft und Politik, reagiert mit Kritik. „An dieser ganzen Diskussion läuft falsch, dass private Hochschulen keine Alternative zu Universitäten sind.“ Einkommensschwa-che Schichten seien an Hochschulen schon jetzt unterrepräsentiert. „Müss-ten diese Studierenden auch noch Studiengebühren be-zahlen, wären es noch viel weniger.“
Hamburgs grüne Wissenschaftssena- torin Krista Sager kann sich für kursnotierte Hochschulen ebenfalls nicht begeistern. „Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass auch viele private Hochschulen öffentlich gefördert werden. Außerdem glauben wir nicht daran, dass die Qualität von Forschung und Lehre von der Börse honoriert werden“, sagt Behörden-Sprecherin Sigrun Nickel.
Sandra Wilsdorf
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