: Quatsch total
■ Prima leben und albern ohne Schleifen: Bodenständig 2000 spielten das Maria leer
Wenn Wissenschaftler Musik machen, dann erwartet man eigentlich knochentrockene, mit nahezu gichtfingriger Verkrampftheit gespielte Akkordfolgen. Oder aber von kitschiger Gefühligkeit strotzende Songs. Dass Wissenschaftler dagegen aus ihrer Rolle fallen und albern werden, ist die Ausnahme von der Regel. Das Duo Bodenständig 2000 stellt diese Ausnahme dar.
Im richtigen Berufsleben ist der eine Maschinenbauer, und der andere forscht über künstliche Intelligenz. Doch zusammen bilden sie eine Band, deren erste Platte „Maxi German Rave Blast Hits 3“ (die übrigens auf dem renommierten britischen Label Rephlex erschienen ist!) von einer so unfassbaren Spinnertheit ist, dass Puristen vor ihren Lautsprecherboxen in Ohnmacht fallen. Souveränes Atari-Soundgeballere folgt dort direkt auf merkwürdig verzerrte Schlager, und es gehört eine amtliche Liebe zu dieser Spinnerei dazu, um die Platte heil zu durchstehen.
Das Publikum in der Maria am Ostbahnhof hatte sich am vergangenen Freitag also einiges vorgenommen. Und tatsächlich: Nur die wenigsten hielten durch. Das Konzert begann erst gegen halb eins, und die zu diesem Zeitpunkt recht zahlreich anwesenden Menschen sahen sich zwei Männern gegenüber, die auf dem Bühnenboden hockten und ihre Ataris bedienten, zu vorher programmierten Tracks Texte von Peter Maffay sangen oder während der Programmaufruf- und Umstöpselpausen einfach ein Lied von ihrer CD laufen ließen. Der Quatsch war total.
Wenn sie sangen, traten sie wie Rocksänger mit dem Fuß den Takt, und wenn einer der beiden zu den Beats auf der Bockflöte spielte, dann filmte ihn der andere mit der Digicam und projizierte die Bilder auf die Bühnenrückwand.
Schließlich misslang es ihnen, ihren Hit „Wann werdet ihr endlich begreifen / gute Musik macht man nicht nur aus Schleifen“ auf dem Computer aufzurufen, sodass sie eine Liveversion improvisierten. Auch ein original Wissenschaftlermantel und eine überflüssige Akustikgitarre spielten bei ihrer Performance eine nicht unwesentliche Rolle.
Wer nun glaubt, dass die Live-Auftritte von Bodenständig 2000 an Helge Schneider erinnern, der hat Recht und irrt doch. Denn anders als bei Schneider rockt ihre Musik tatsächlich, nimmt man einmal zwei offensichtliche Technoheads und ihren ausdrucksstarken Tanz zum Maßstab.
Und wenn es die Band auch erfolgreich geschafft hatte, mit ihrem über zwei Stunden dauernden Auftritt mehr als die Hälfte ihrer Zuschauer zu vertreiben, so musste sie doch – zu ihrer eigenen Verwunderung – der standhaft ausharrenden Szeneprominenz noch viele Zugaben geben. Kurz, es war wie einer der legendären Abende in der Galerie berlintokyo. Bodenständig 2000 waren weder obskur, noch waren sie blöd – sie waren einfach prima lustig.
Jörg Sundermeier
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