Internet-Suchdienst ist am Ende

■  Trotz einer Verzweiflungstat vor laufender Kamera droht der Gerichtsvollzieher: Wegen 7.000 Mark Telekomschulden muss die Kosovo-Suchhotline verkauft werden

Morgen wird es ernst für Christoph Kastius. Zwischen 8 und 12 Uhr bekommt der 22-Jährige, der zusammen mit anderen Studenten im April einen Internet-Suchdienst für Kosovo-Flüchtlinge eingerichtet hat, Besuch von einem Gerichtsvollzieher. Der soll Gegenstände im Wert von 7.000 Mark pfänden – diese Summe schuldet Kastius der Telekom.

Der Student hatte im Vorfeld auf verschiedene Art und Weise versucht, es nicht so weit kommen zu lassen. Zuletzt hatte er sich Anfang Oktober beim Nachrichtensender n-tv vor laufender Kamera eine Pistole an die Schläfe gehalten und ein Gespräch mit Telekomchef Ron Sommer verlangt. Stattdessen wurde er von einem Sondereinsatzkommando der Polizei festgenommen. Seine Entschuldigung stieß auf taube Ohren, n-tv erstattete Anzeige wegen Hausfriedensbruch und Nötigung .

Dabei glaubt sich Kastius im Recht. Der Tempelhofer Bürgermeister Dieter Hapel (CDU) hatte 1.000 Mark gespendet. Da habe ihn der Berliner Pressesprecher der Telekom, Bernhard Krüger, angerufen und zugesagt, die letzte Rechnung zu übernehmen. Bei früheren Spendengesuchen im Vorzimmer Ron Sommers war er „auf taube Ohren gestoßen“.

Die vorherigen Rechnungen waren über Spenden finanziert worden. Allein in den ersten vier Monaten der Hotline (www.Suchhotline.de) beliefen sich die Telefonkosten, verteilt auf mehrere Anbieter, auf 21.000 Mark. Schon einmal hatte die Telekom die Anschlüsse mehrere Tage lang gesperrt. Erst als die Mitarbeiter mit einer Klage wegen unterlassener Hilfeleistung gedroht hätten, so Kastius, seien die Leitungen wieder freigeschaltet worden. Seit Bestehen des Suchdienstes, der weltweit ein großes Medienecho fand, erhielten laut Kastius über 3.000 Suchende Kontaktinfos.

Telekom-Pressesprecher Krüger will von einer Zusage gegenüber Kastius nichts wissen. Er habe sich mit dem Projekt beschäftigt – „Ich fand die Idee ganz toll“ – , doch keine Zusagen gemacht. Weitere Auskünfte verweigert Krüger. Stattdessen kritisiert er Kastius' n-tv-Auftritt. „Dadurch hat die Angelegenheit eine andere Dimension bekommen.“ Deshalb sei er auch nicht mehr autorisiert, weitere Auskünfte zu geben, und verweist an die Telekom in Bonn. Der dortige Sprecher Frank Domagalla aber ist zugeknöpft: „Wir äußern uns nicht dazu.“

Bei Kastius liegen die Nerven blank: „Es kotzt mich an“, sagt er, „wochenlang haben wir uns den Arsch aufgerissen und am Ende kommt der Gerichtsvollzieher.“ Um die Schulden zu begleichen, soll nun die Datenbank verkauft werden – sie umfasst über 300.000 Flüchtlingsnamen: Nach dem Erdbeben wurde auch in der Türkei nach Vermissten gefahndet. „Wenn wir das sang- und klanglos einstellen“, warnt Kastius, „gehen die Daten verloren.“ Barbara
Bollwahn de Paez Casanova