piwik no script img

Versammlungsfreiheit nur noch für Autos

■  Die Forderung von Innensenator Eckart Werthebach (CDU), die Demonstrationsfreiheit an zentralen Orten der Stadt wie dem Brandenburger Tor einzuschränken, stößt auch bei den anderen Parteien auf scharfe Kritik

SPD, Grüne und PDS haben am Wochenende scharfe Kritik an der Forderung von Innensenator Eckart Werthebach (CDU) geübt, in der Hauptstadt zukünftig die Versammlungsfreiheit einschränken zu wollen.

Angesichts von immer mehr Demonstrationen – momentan sind es täglich rund sieben Kundgebungen –, hatte Werthebach die Frage gestellt, ob zentrale Punkte der Stadt wie das Brandenburger Tor oder der Kurfürstendamm immer häufiger für die Berliner und Gäste der Stadt „versperrt“ werden dürften. Die „große Bevölkerungsmehrheit“ werde immer öfter ausgeschlossen, weil „Minderheiten die Versammlungsfreiheit exzessiv nutzen“.

Man müsse prüfen, ob die höchstrichterlich bestätigte Versammlungsfreiheit in Großstädten ebenso weit gehen dürfe wie für vereinzelte Demonstrationen in ländlichen Gebieten: „Man stelle sich einmal vor, der Eiffelturm würde regelmäßig weiträumig abgesperrt.“ Geht es nach Werthebach, soll das Recht, den Versammlungsort frei zu wählen, zukünftig eingeschränkt werden.

Die sicherheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Heidemarie Fischer, bezeichnete den Vorstoß Werthebachs als „völlig unsinnig“. Die Versammlungsfreiheit sei nach wie vor im Grundgesetz festgeschrieben. Eine Einschränkung würde eine Klageflut provozieren. Sie befürchtet, dass Demonstrationen künftig nur noch am Stadtrand genehmigt würden. Wenn man ein Verkehrschaos wegen Demonstrationen am Brandenburger Tor vermeiden wolle, müsse man das Tor für den Autoverkehr sperren und ein neues Verkehrskonzept für die Innenstadt entwerfen.

Fischer warf Werthebach vor, „inkonsequent“ zu handeln. „Kommerzielle Veranstaltung wie eine Silvester-Show will er erlauben, eine Demonstration aber nicht.“ Die SPD-Politikerin forderte, die Love Parade, die im nächsten Jahr wieder in Berlin stattfinden wird, nicht als politische Demonstration zu genehmigen. „Da geht es ganz klar um Kommerz, und deshalb sollen die Veranstalter auch dafür zahlen.“

Ähnlich argumentierte auch Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen. Er warf Werthebach vor, dass er die Love Parade und auch die Blade Night zu „politischen Demonstrationen“ qualifiziere, was die Demonstrationsrechte „unzulässig strapaziere“. Die Love Parade sei aber ein „Freudenfest“, und dafür solle vom Veranstalter gezahlt werden. Cramer plädierte dafür, das Brandenburger Tor für den Verkehr zu sperren, dann würde die Innenstadt auch wieder attraktiver werden. Für die Blader sollte am Wochenende künftig die Straße des 17. Juni geöffnet werden.

Petra Pau von der PDS nannte Werthebach eine „einmalige Fehlbesetzung“. Pau sprach in Zusammenhang mit Werthebachs Äußerungen von einer „ungeheuren politischen Entgleisung“ des Senators. Werthebach stelle mit seinen Überlegungen ein „substanzielles Recht des Grundgesetzes in Frage“. Julia Naumann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen