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Kolumbien demonstriert für den Frieden

■ Zehn Millionen Menschen fordern ein Ende der Gewalt. Die Regierung und die Farc-Guerilla nehmen Gespräche wieder auf

São Paulo (taz) – „Es reicht!“ Unter diesem Motto demonstrierten am Sonntag über zehn Millionen KolumbianerInnen für ein Ende der Gewalt. Es war der bisher größte Protest gegen Entführungen, Massaker und Vertreibungen, denen die Zivilbevölkerung in Kolumbien seit Jahrzehnten wehrlos ausgesetzt ist. Zwei wichtige Adressaten der Massenkundgebungen trafen sich derweil 160 Kilometer südlich von Bogotá: Auf dem Basketballplatz von La Uribe, einer Hochburg der „Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“ (Farc), nahmen die Rebellen und die Regierung des konservativen Präsidenten Andrés Pastrana ihre Friedensverhandlungen nach einer fünfmonatigen Pause wieder auf.

„Die Guerilla kann und muss den Klassenkampf hinter sich lassen, um mit klarem Kopf an den Kampf um die Demokratie zu denken“, forderte Regierungsbeauftragter Victor G. Ricardo in seiner Eröffnungsrede vor tausenden Bauern, Journalisten und internationalen Beobachtern. Die Demokratie müsse jedoch die Armen einschließen. Im vergangenen Jahr sei Vertrauen entstanden. Jetzt müsse dieses Vertrauen umgesetzt werden, sagte er.

Für Farc-Kommandant Raúl Reyes wird sich in den jetzigen Gesprächen zeigen, ob der Staat „wirklich den politischen Willen hat“, strukturelle Veränderungen durchzuführen. Im Hinblick auf die US-Regierung, die die Farc wegen ihrer Verwicklung ins Drogengeschäft heftig kritisiert hat, schlug er einen Modellversuch in der Gemeinde Cartagena del Chairá vor: Nach einer großflächigen Entmilitarisierung solle dort der Kokaanbau durch andere Produkte ersetzt werden.

Die Regierung steht unter dem Druck der USA und der Militärs. Erst kürzlich erklärte Armeechef Fernando Tapias, von einem neu installierten und von Washington finanzierten Antidrogenzentrum im Süden des Landes aus werde man gegen den Rauschgifthandel vorgehen. Die US-Militärhilfe an Kolumbien beträgt mindestens 400 Millionen Dollar jährlich. Hardliner von rechts hatten es zu verantworten, dass die Gespräche seit Mai ausgesetzt waren. Allerdings gibt es auch bei den Farc einen militaristischen Flügel.

Die Farc müssten den „internen Konflikt zwischen dem Denken in militärischen Kategorien und ihrem politischen Projekt“ lösen, meint der Historiker Arturo Alape. „Dann besteht die historische Chance zu echten Reformen.“ Erstmals nämlich verhandelt die Guerilla aus einer Position der Stärke: Sie kontrolliert weite Teile des unwegsamen Hinterlandes. Demgegenüber hat die Regierung mit der schwersten Wirtschaftkrise des Jahrhunderts zu kämpfen. „Wie wir alle wissen, werden sich diese Verhandlungen über Jahre hinziehen“, so der Politologe Alfredo Rangel. Die Farc wollten während dieser Zeit das Land „mitregieren“.

Auch gegenüber dem „Heer zur nationalen Befreiung“ (ELN) signalisiert die Regierung Pastrana neuerdings wieder Gesprächsbereitschaft: In der vergangenen Woche kam es zu direkten Kontakten in Havanna. Schnelle Ergebnisse sind jedoch an keiner Front zu erwarten, auch nicht ein baldiger Waffenstillstand, wie ihn die DemonstrantInnen am Sonntag forderten. In einer Pressekonferenz machte Farc-Sprecher Reyes deutlich, was das dringendste Anliegen der Rebellen ist: Wenn die Regierung nicht bald gegen die Paramilitärs vorgehe, drohte er, „könnten wir uns wieder vom Tisch erheben“. Gerhard Dilger

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