: Buntes Reformkabinett in Indonesien
Der neuen indonesischen Regierung von Präsident Abdurrahman Wahid gehören Minister aller großen politischen Strömungen des Landes an. Der Einfluss des Militärs in der Regierung wird verringert ■ Von Jutta Lietsch
Bangkok (taz) – Die Probleme sind riesig, die Erwartungen immens: Mit einer „Regierung der nationalen Einheit“ will der neue Präsident Abdurrahman Wahid Indonesien aus seiner schweren wirtschaftlichen und politischen Krise führen. Knapp eine Woche nachdem er überraschend an die Spitze des Staates gewählt wurde, stellte Wahid gestern in Jakarta seine Minister vor. Weil er fast blind ist, las Vizepräsidentin Megawati Sukarnoputri die Liste der Namen vor.
Der erste Eindruck: Dies ist das bunteste und zivilste Kabinett der indonesischen Geschichte – und es ist voller neuer Köpfe. Die neuen Minister stammen nicht nur von der dominierenden Insel Java, sondern auch aus entfernteren, unruhigen Regionen wie Irian Jaya. Sie gehören sowohl muslimischen als auch weltlich-nationalistischen Strömungen und ganz verschiedenen Parteien an – und werden daher schwer unter einen Hut zu bringen sein. Ob sie, wie Wahid verspricht, weniger korrupt sein werden als ihre Vorgänger, muss sich zeigen.
Unter den 35 Ministern finden sich nur noch vier Militärs. Selbst auf dem Stuhl des Verteidigungsministers sitzt künftig ein Zivilist – der 57-jährige Ex-Erziehungsminister Juwono Sudarsono. Er zählt zugleich zur knappen Hand voll „Wendepolitiker“, die den Sprung aus dem Kabinett von Ex-Präsident B.J. Habibie schafften.
General Wiranto, bislang Armeechef und Verteidigungsminister, findet sich auf einem Nebengleis wieder: Der ehrgeizige General wurde Minister für Politik und Sicherheit. Den einlussreichen Posten des Armeechefs verlor er an seinen bisherigen Stellvertreter, den 55-jährigen Admiral Widoyo Sutjipto. Damit befehligt zum ersten Mal ein Offizier der Marine die Streitkräfte.
Anders als angekündigt sitzen in der neuen Regierung kaum weniger Minister als in der alten. Er habe bei der Zusammensetzung seines Teams „einige Kompromisse machen müssen“, räumte Wahid gestern ein. Den Grund gab der Politiker, der in Jakarta gern als „Meister der politischen Manipulation“ bezeichnet wird, ganz freimütig zu: Er verdanke seine Wahl am vergangenen Mittwoch nicht zuletzt auch den Stimmen einer Fraktion der alten Golkar-Regierung, die sich gegen ihren eigenen Kandidaten Habibie gestellt hatte. Jetzt verlangte sie Posten in der neuen Regierung.
Das gilt auch für General Wiranto: Er hatte sich in letzter Minute geweigert, als Vizepräsident Habibies ins Rennen zu gehen. Noch am Montag hatte Wiranto versucht, sich in ein günstiges Licht zu setzen: Er entschuldigte sich öffentlich für die brutalen Militär- und Polizeieinsätze gegen demonstrierende Studenten.
Zu den wichtigsten Aufgaben in den kommenden fünf Jahren zähle es, die Wirtschaft wieder anzukurbeln und das Leben der Armen zu verbessern, erklärte Präsident Wahid gestern. Den Posten des Wirtschaftsministers bekleidet nun der renommierte chinesischstämmige Ökonom Kwik Kian Gie. Kwik ist Vizevorsitzender der „Demokratischen Partei Indonesiens – Kampf“ und einer der engsten Berater von Vizepräsidentin Megawati. Er hat in der Vergangenheit die Politik des Internationalen Währungsfonds in Indonesien kritisiert, aber versprochen, sich an die Vorgaben der Finanzorganisation zu halten, die Indonesien mit Milliardenkrediten versorgt.
Außenminister wird der relativ unbekannte Alwi A. Shihab, derzeit Professor für Islamische Studien in Harvard. Er ist Vizevorsitzender der drittgrößten Partei im Parlament, der von Präsident Wahid gegründeten muslimischen Partei des Nationalen Erwachens. Neuer Generalstaatsanwalt ist Marzuki Darusman, Chef der Nationalen Menschenrechtskommission und Sprecher des Golkar-Reformflügels. Das lässt hoffen, dass die Korruptionsermittlungen gegen die Suharto-Familie wieder aufgenommen werden, die vor kurzem „aus Mangel an Beweisen“ eingestellt worden waren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen