: Globalisierungsgipfel in Berlin
■ Am Wochenende kungeln Konzerne und Politik den Welthandel aus. Die Firmen fordern Freihandel, der Kanzler hält die Tischrede, und der Umweltschutz kommt unter die Räder
Köln (taz) – Das Ambiente ist standesgemäß: Getagt wird im noblen Hotel Interconti, zum Gala-Diner spricht Gerhard Schröder. Ab Freitag trifft sich in Berlin der einflussreiche Lobbyverband Trans Atlantic Business Dialogue (TABD) zur Abstimmung auf den Welthandelsgipfel, der im November in Seattle beginnen wird.
Neben Konzernbossen sind auch ausgesuchte Politiker zu dem Treffen geladen: der amerikanische Handelsminister William Daley, Mike Moore, Generaldirektor der Welthandelsorganisation WTO, der EU-Ministerratspräsident Kimmo Sasi und zwei EU-Kommissare. Nach Angaben des US-Handelsministeriums „geht fast jede Marktöffnung in den USA und der EU in den letzten Jahren auf Vorschläge des TABD zurück“.
Aktuell kämpft der Verband gegen Beschränkungen beim Export von militärisch und zivil nutzbaren Gütern und gegen das Verbot klimaschädigender Kühlmittel. Ein Vorbereitungspapier für die WTO-Konferenz spricht unmissverständlich aus, wer bei den Gesprächen von Wirtschaft und Politik das Sagen hat: „Der TABD erwartet von den Regierungen eine befriedigende Umsetzung aller Beschlüsse.“
Die Bundesregierung spürt denn auch den Gegenwind der Konzerne und stellt die angestrebte WTO-Reform nach ökologischen und sozialen Kriterien bislang zurück. Auch die EU zeigt sich aufgeschlossen und will in Seattle ein internationales Investitionsregelwerk – im Geiste des 1998 gescheiterten MAI – vorschlagen. Der enorme Einfluss des wenig bekannten Lobbyverbands liegt in dem exklusiven Zugang zur Politik begründet. Jérome Monod, Europa-Vorsitzender des TABD, meint: „Wir sind zweifellos diejenige Nichtregierungsorganisation mit dem größten Zugang zu politischen Institutionen auf beiden Seiten des Atlantiks.“
In Brüssel arbeiten gemeinsame Arbeitsgruppen von TABD und EU-Kommission. Routinemäßig nimmt der Verband auch an den europäisch-amerikanischen Konsultationen teil. Beim letzten Gipfel im Juni in Bonn übergaben die TABD-Vorsitzenden ihre Forderungen direkt an Bundeskanzler Schröder und US-Präsident Clinton. Am nächsten Tag bekräftigten der neue Kommissionspräsident Romano Prodi und die Kommissare Brittan und Bangemann die Unterstützung der TABD-Ziele. Regierungsunabhängige Organisationen wie das Amsterdamer Corporate Europe Observatory kritisieren diese Symbiose von Politik und Wirtschaft. Die Kritiker monieren die undemokratische Einstellung von Politikern, die Interessen von Konzernen zur einzigen Basis politischer Entscheidungen zu machen. Nach einer eigenen Tagung in Berlin am kommenden Freitagabend wollen verschiedene Berliner Gruppen gegen die ungezügelte Globalisierung demonstrieren, für die der TABD steht.
Phillipp Mimkes
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