: Blutbad im Parlament von Eriwan
■ Unbekannte töten in Armeniens Hauptstadt Ministerpräsident Wasgen Sarkisjan und sieben weitere hochrangige Politiker. Konflikt um Nagorny-Karabach als mögliches Motiv
Eriwan (dpa/AP) – In der Kaukasusrepublik Armenien haben Unbekannte gestern im Parlament ein Blutbad angerichtet. Während einer Rede von Ministerpräsident Wasgen Sarkisjan eröffneten vier Unbekannte im Parlamentsgebäude von Eriwan das Feuer, wie ein Präsidentensprecher sagte. Sarkisjan sei getötet worden. Auch Parlamentspräsident Karen Demirtschjan und der Energieminister seien tot, sagte der Lokalpolitiker Ararat Surabjan. Insgesamt starben acht Politiker im Kugelhagel. Laut einem Bericht des Fernsehsenders A1Plus gab es auch Verletzte. Mehrere Anwesende seien als Geiseln genommen worden. Polizei und Sicherheitskräfte umstellten das Parlament.
Laut Augenzeugenberichten riefen die Bewaffneten, sie hätten die Macht übernommen, und verlangten ein Telefon, um ihre Forderungen mitteilen zu können. Die Übertragung der Rede im Radio wurde unterbrochen, nachdem die ersten Schüsse gefallen waren, wie die russische Agentur ITAR-TASS meldete. Noch am Abend hatten die Männer 200 Geiseln in ihrer Gewalt. Präsident Robert Kotscharian habe Verhandlungen mit den Geiselnehmern aufgenommen.
Armenien wurde 1991 unabhängig. Seitdem ist das Land politisch nie zur Ruhe gekommen. Ein ständiger Konfliktherd ist der Gebietsstreit mit Aserbaidschan über die Exklave Nagorny-Karabach. Mit Hilfe armenischer Kämpfer hatten Separatisten aserbaidschanische Truppen aus Berg-Karabach vertrieben und einen Teil Aserbaidschans besetzt.
1994 beendete ein Waffenstillstand den sechsjährigen Krieg, in dem 15.000 Menschen getötet und eine Million zu Flüchtlingen wurden. Friedensverhandlungen blieben zuletzt im August ohne Ergebnis. Ob der jüngste Putschversuch etwas mit dem Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um das Gebiet Nagorny-Karabach und den bevorstehenden OSZE-Verhandlungen zu tun hat, war unbekannt.
Der 40-jährige Sarkisjan war seit Juni 1999 Ministerpräsident. Er führte mit dem Chef der Kommunisten zu Sowjetzeiten, Karen Demirtschjan, den nationalistischen Einheitsblock, der bei der Wahl im Mai einen hohen Sieg errungen hatte. Der Einheitsblock hatte im Februar 1998 Präsident Lewon Ter-Petrosjan zum Rücktritt gezwungen. Er wurde beschuldigt, gegenüber Aserbaidschan eine zu weiche Linie vertreten zu haben. Der Einheitsblock hat enge Verbindungen zu einer Miliz, der Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden.
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