■ Kommentar
: Nur Opfer  Moskaus Krieg in Tschetschenien führt unaufhaltsam ins Desaster

Diesmal scheint der Kaukasusfeldzug ein voller Erfolg zu werden. Russlands Armee rückt unaufhaltsam vor, und schon heute jubelt die Generalität, bald werde der Blockadering um Grosny geschlossen sein. In den russischen Nachrichten werden Militärs mit Elogen überschüttet. Von Feldherrnhügeln aus erläutern ergraute Generäle die unvermeidlichen Etappensiege.

Nur eins fehlt: die grausame Seite des Krieges. Die blutende Zivilbevölkerung, eigene Verluste, ja nicht einmal die Leichen der bezwungenen Feinde kommen ins Bild. Moskau führt einen aseptischen Krieg, zumindest an der Medien- und Heimatfront.

Diese Intervention ist mehr als eine Strafaktion. Sie ist der Verdrängungskrieg einer Gesellschaft, die Niederlage auf Niederlage einstecken musste, ohne daraus eine Lehre zu ziehen, wie sich das Tor in die Zukunft öffnen ließe. Hysterie und Hypnose haben die gesamte Gesellschaft befallen. Die Militärs lügen wie gedruckt, Politiker wie Premier Putin verfolgen ureigene Wahlkampfziele, die so genannten Liberalen schweigen oder billigen ausdrücklich die Politik der verbrannten Erde, die nur den eigentlichen Gegner verschont. Und die Bevölkerung, ob arm oder reich, schreit „weiter so“. Die entfremdete Gesellschaft hat im Kampf gegen das Böse – Kaukasier, Muslime, alle Andersartigen – zueinander gefunden. Wenn die sowjetische Losung, Armee und Volk sind eins, jemals Gültigkeit besaß, so ist das heute der Fall.

Weder Armee noch politische Elite können jetzt noch zurück. Jeder Kompromiss würde ihnen nicht nur als Schwäche, sondern als Verrat ausgelegt. Daher setzt Moskau alles auf eine Karte und wird sich auch vom Westen nicht beirren lassen. Es gibt keine politische Kraft, die der Vernunft eine Stimme verliehe. Das Debakel ist abzusehen. Der Winter fordert seinen Tribut: Bald werden hungernde russische Soldaten das Schlachtfeld bevölkern, die dem Feind Waffen verkaufen. Die Kampfmoral wird gegen null gehen, während die hohen Verluste sich nicht mehr verbergen lassen.

Und auch die notorisch korruptionsanfällige Generalität wird mit den üblichen Schlagzeilen aufwarten. All das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Auch dieser Feldzug wird im Desaster enden, dem Putin und Armeeführung zum Opfer fallen werden. Klaus-Helge Donath