: Eichel spart sich die Opposition
■ Der Bundesfinanzminister bremst die Union aus: Er schnürt das Sparpaket im Bundesrat auf. Damit kann die Länderkammer den Haushalt für das Jahr 2000 nicht mehr blockieren
Berlin (taz) – Der Finanzminister zeigt der Opposition eine lange Nase. Hans Eichel (SPD) hat das offiziell „Konsolidierungsprogramm 2000“ genannte Sparpaket gestern so aufgeteilt, dass der Bundestag dessen allergrößten Teil ohne die spätere Zustimmung der unionsregierten Länder beschließen kann. „Ich mache mich nicht von dem Versuch der Opposition abhängig“, begründete Eichel gestern sein Vorgehen, „im Bundesrat Spielchen zu spielen.“ Das bedeutet: Die Länderkammer kann nicht blockieren, der Bundeshaushalt für das Jahr 2000 wird noch vor Weihnachten verabschiedet. Auch die viel diskutierte Deckelung der Renten auf Höhe der Preissteigerung ist damit beschlossene Sache.
Die Opposition reagierte laut – und hilflos. „Die Regierung ist festen Willens, den Rentenbetrug in ein Gesetz zu gießen“, empörte sich CSU-Generalsekretär Thomas Goppel. Der Finanzexperte der CDU-Fraktion, Friedrich Merz, verkündete, das Sparpaket zerbrösele erwartungsgemäß. „Es ist so verkorkst, dass alles schief läuft“, meinte er – und erwähnte lieber nicht, dass 90 Prozent der von der rot-grünen Bundesregierung angepeilten Sparsumme von 30 Milliarden Mark nun bereits in der zweiten Novemberwoche vom Tisch des Bundestages sein werden. Die rot-grüne Mehrheit kann dort zunächst Schäuble, Gysi & Co. überstimmen – und danach auch einen eventuellen Einspruch der Länder.
Die Ausschüsse des Bundestages sind gerade in den letzten Beratungen für den Etat 2000. Er hatte das Kürzel „Sparpaket“ erhalten, weil darin umfangreiche Kürzungen quer durch alle Ressorts vorgenommen werden. Nach den neuen Plänen spart Eichel in einem Umfang von 26,5 Milliarden Mark. Zum Beispiel soll Außenminister Fischer 50 Millionen Mark weniger für auswärtige Kulturpolitik ausgeben. Wirtschaftsminister Müller spart sich 66 Millionen Mark bei der Absatzfinanzierung des Airbus, der Staatsminister für Kultur, Naumann, schränkt den Zuschuss für die Deutsche Welle um 40 Millionen Mark ein. Der größte Brocken stammt aus dem Einzeletat von Arbeitsminister Riester: 2,8 Milliarden Mark erwirtschaftet er dadurch, dass der Gesetzgeber den Rentenanstieg auf das Niveau der Inflation deckelt. Erst in zwei Jahren sollen die Renten wieder an die Nettolöhne gekoppelt werden.
Ein verheerender Eindruck wäre für die strauchelnde Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vor dem Bürger entstanden, wenn der Finanzminister seinen ursprünglichen Plan weiter verfolgt hätte. Eichel hatte stets verkündet, den Sparhaushalt im Bundesrat „als Paket“ zur Abstimmung zu stellen. Das aber hätte bedeutet, das gesamte, vollmundig als wirksamstes Konsolidierungsvorhaben seit dem Krieg verkaufte Vorhaben dem Wohl und Wehe der CDU/CSU zu überlassen. Über Weihnachten und Jahreswechsel wäre es dann wohl im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hängen geblieben. „Ich wollte nicht mit irgendeiner Unklarheit ins neue Jahr gehen“, sagte Eichel gestern. Daher habe er die im Bundesrat zustimmungspflichtigen Teile vom Rest des Sparpakets abgetrennt. Sie haben einen Wert von 3,8 Milliarden Mark. Unter anderem bittet Eichel die Länder, der Kürzung des pauschalierten Wohngeldes zuzustimmen (2,5 Milliarden Mark Einsparungen), die Dienstbezüge der Beamten nur entlang der Inflation anzuheben (327 Millionen Mark) und das Zivildienstgesetz zu ändern (101 Millionen).
Das Sparpaket kommt also sofort. Auf die neue Unternehmenssteuer muss das Land aber noch warten. Der Finanzminister sagte zu, sein Konzept für gesenkte Abgaben der Betriebe und Unternehmen „an meinem ersten Arbeitstag im neuen Jahr vorzustellen“. Da hätten Unternehmenssteuern von maximal 35 Prozent eigentlich schon in Kraft sein sollen. Der Finanzminister befürchtet aber, dass der Bürger so viel Steuerreform nicht verstehe. Eine gestern veröffentlichte Umfrage des Steuerzahlerbundes gibt ihm Recht: Die Bürger hätten zwar keine Ahnung von den Details, erwarteten aber, dass es für sie teurer werde – „auf jeden Fall“. Christian Füller
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