Ätz-Türkis auf Uni-Mensa

■ Im Internet wird abgestimmt: Studis dürfen ihre Lieblings-Mensafarbe wählen / Die angebliche virtuelle Basisdemokratie ist jedoch nur ein Fake: Das Hochhaus bleibt weiß

Im Welt-Weit-Web ist fast alles möglich: Auf den Internet-Seiten der Uni Bremen zum Beispiel dürfen Studierende jetzt ihre ganz persönliche Lieblings-Mensafarbe wählen. Ganz basisdemokratisch geht das: Die Farbmehrheit setzt sich durch. Und so bunt sollen die Gebäude dann gespritzt werden.

Ein Link vom aktuellen Tagesmenü führt direkt zur Abstimmungs-Site: „Die Mensawahl – Teil II“ läd ein und bittet zur Abstimmung. Die eigentlichen Mensafarben wurden schon gewählt: gelb-orange und orange-rot für die beiden Trakte. Jetzt geht es um das (noch) weiße Hochhaus direkt dahinter: den Studentenheimturm. Ein bauliches Dreigestirn, das sozusagen nach einer „Farbdreiklangkombination“ verlangt. Und deswegen „bittet die Universität noch einmal um die Mithilfe“ der Studierenden.

Zur Auswahl der farblich brisanten Komposition für das hohe Bauwerk stehen: türkis, violett, rot, orange und grün. Gleich mit Farbbild in Szene gesetzt, kann sich der gemeine Studi schon mal auf seinem Computer-Monitor angucken, wie sein Campus nach dem Farbeimer-Einsatz aussehen würde. Ein Klick genügt, und das Farb-Votum ist abgegeben.

Aber Hoppla: Ein Klick genügt? Ganz unkontrolliert, kann man da womöglich gleich mehrmals täglich seine Wahl abgeben. Vielleicht sechsmal. Vielleicht 16 mal. Je nach Ehrgeiz und Farbmotivation. Kontrolliert wird nicht. Nach Ausweisen, e-mail, Wählerverzeichnissen fragt hier niemand. Das hätte ja nichts mehr mit Demokratie zu tun. Reiche Surfer könnten gar im Alleingang die Farbe bestimmen.

Klammheimlich kann man so für ätz-türkis stimmen, das gleich psychische Misstimmungen verursacht und das bestimmt keiner am Hochhaus haben will. Aber vielleicht wählt man trotzdem ätz-türkis, nur um zu gucken was später passiert: ob bei täglichen Anklicks ätz-türkis wirklich und tatsächlich – so hässlich es auch immer sein mag – umgesetzt würde? Nach der Wahl des jeweiligen Lieblingsmotivs steht jedenfalls nur: „Ihre Wahl wurde gespeichert“. Und dann noch: Vielen Dank für die Mithilfe. Und dann wieder zurück, wo man herkam, zum Essensplan. Das war's schon. Kein Hinweis auf irgendwelche Wahlmodalitäten, Klauseln, etc.

Die Pressestelle kann das Abstimmungsprocedere aber leider auch nicht klären. Auch im Asta herrscht Ratlosigkeit. Keiner weiß von nichts. Nichts von der tollen Basisdemokratie im Internet, oder von Studierendenbeteiligung bei aktuellen Bauplänen oder den brandneuen Farbideen beim Studentenheimturm.

Tatsache ist: die „Mensa-Wahl Teil II“ ist nur ein Fake, sagt zumindest das Studentenwerk. Wäre auch fast zu schön gewesen, denkt man. Das Studentenwerk muss es jedenfalls wissen, da ist man zuständig für die Mensa. Und hier kennt man sogar die website. Das ist schon was. „Alles Unfug, so was würden wir nie machen“, wehrt man hier ab. Der Urheber sitze woanders.

Schmunzeln musste Geschäftsführer Christian Rohlfing aber doch, als er vor drei Wochen die Site vorgeführt bekam. Und verstehen kann er die Farbwünsche irgendwie doch: Denn sonst sei an der Uni ja alles „grau in grau“.

Wer die Mensa-Wahl ins Netz gesetzt hat, weiß niemand. „Wir haben uns noch keine Mühe gemacht zu klären, woher das kommt“, sagt Rohlfing. Möglich sei es, dass es jemand aus dem Studentenwohnheim ist, der sein Gebäude bunt haben wollte. Möglich auch, dass dieser jemand gute Hacker-Erfahrung und einen Draht zur Informatik hat, denn die Site ist im Informatik Fachbereich angesiedelt. Die abschließenden Ergebnisse der Farb-Urabstimmung würde Rohlfing allerdings zu gerne sehen. „Ich warte einfach mal ab, ob da jemand zu mir kommt.“

Das Studentenwerk nimmt den Spaß jedenfalls ganz gelassen hin. „Dahinter steckt ja etwas ganz Ernstes“, sagt Rohlfing: „Mehr Farbe in die Uni“. Abstimmen kann man noch bis Ende des Jahres – dann endet die virtuelle Farbwahl.

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