: Litauen ohne Regierung
■ Anlass ist der Verkauf der staatlichen Ölgesellschaft an einen US-Konzern
Stockholm (taz) – Zum zweiten Mal binnen sechs Monaten ist eine litauische Regierung am Streit über die Privatisierung der staatlichen Ölgesellschaft Mazeikiai Nafta zerbrochen. Am Mittwoch erklärte Ministerpräsident Rolandas Paksas, der seit Mai einer konservativen Zweiparteienkoalition vorgestanden hatte, seinen Rücktritt. Sein Vorgänger Gediminas Vagnorius war der erste gewesen, der mit der von Präsident Valdis Adamkus geprägten Privatisierungspolitik nicht einverstanden gewesen war.
Formal dreht sich der Streit um die Bedingungen für eine Privatisierung der litauischen Ölindustrie, doch Hintergrund sind grundlegende politische Weichenstellungen des Landes hin zu einer Mitgliedschaft in Nato und EU.
Mazeikiai Nafta ist eines der bedeutendsten Energieunternehmen des Landes. Über den Ölhafen Ventspils, die Pipeline und die Raffinerie wurde zu Sowjetzeiten ein Großteil des UdSSR-Ölexports in den Westen verschifft. Als Mazeikiai Nafta auf die Privatiserungsliste gesetzt wurde, meldete sich daher auch sofort der russische Ölkonzern Lukoil als Interessent. Und wurde prompt übergangen. Ohne Ausschreibung wurde allein mit dem US-Konzern Williams International als möglichem Investor verhandelt.
Die Linksopposition im litauischen Parlament klagt Staatspräsident Valdis Adamkus, seit 1997 im Amt, offen an, bei dieser Vorgehensweise seine Hand im Spiel gehabt zu haben. Das könne für Litauen nicht nur einen finanziellen Nachteil, sondern auch politische Verwicklungen mit Moskau bedeuten.
Selbst innerhalb der jetzt zurückgetretenen konservativen Koalition, die prinzipiell einen Verkauf der Ölindustrie an Williams International nicht ablehnt, hatten die Einzelheiten des Geschäfts Kritik ausgelöst und bereits letzte Woche zum Rücktritt des Finanzministers und des Wirtschaftsministers geführt: Williams soll nämlich für das einstige litauische Industriekleinod nur 650 Millionen Dollar hinblättern müssen.
Überdies muss die Staatskasse vorab noch 350 Millionen Dollar zuzahlen und damit Kapitalschulden von Mazeikiai abdecken. Und das bei einem sowieso schon riesigen Defizit. Auch Teile der litauischen Medien stellen nun die Frage, ob private Interessen hinter dem Eifer der PolitikerInnen stehen, die dieses so auffallend schlechte Geschäft durchgedrückt haben. Reinhard Wolff
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